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Zumindest Microsoft hofft auf die Magie des Cloud-Computing

Foto: REUTERS/Nick Adams

Microsofts neue Xbox One (XBO) ist den Spezifikationen nach nicht die leistungsstärkste Spielkonsole der nächsten Generation. Vergleicht man die Hardware im Detail, so zeigt sich, dass die PlayStation 4 (PS4) wenigstens in der Theorie über mindestens 1,5 Mal mehr Rechenkapazitäten verfügt, als die XBO. Nicht nur ist der Grafikchip der PS4 klar schneller, auch steht dem System mehr und vielfach flotterer Arbeitsspeicher für Games zur Verfügung - der GameStandard berichtete.

Ohne direkt auf diesen Leistungsunterschied einzugehen, erklärte nun ein Microsoft-Sprecher, dass die Rechenkapazitäten der XBO dank Serveranbindung künftig um ein Vielfaches gesteigert würden. "Für jede Xbox One in Ihrem Wohnzimmer werden wir drei weitere von diesen Geräten in der Cloud verfügbar haben", sagte Microsoft Game Studios-Manager Matt Booty vergangene Woche gegenüber Ars Technica. Damit stünden XBO-Spielen nicht geschätzte 1,2 TFLOPS, sondern rund 5 TFLOPS bereit. Damit wäre die XBO inklusive Serverkapazitäten zweieinhalb mal stärker als die PS4 und sogar schneller als Nvidias 1.000 Euro Highend-Grafikkarte Geforce GTX Titan.

Ernste Zweifel an Microsofts Glaubwürdigkeit

Ein Versprechen, das nicht nur Forenposter zweifeln ließ, sondern Anfang der Woche auch Eurogamers fachkundigen Technologie-Blog Digital Foundry nachrechnen ließ. Die Erkenntnis: Selbst bei einer sehr schnellen Internetanbindung von 100 Mbit/s, die zum Datenabgleich zwischen XBO und Server notwendig ist, ist der Einsatz von Cloud-Computing für eine technische und grafische Verbesserung von Spielen wohl nutzlos. Durch die hohe Latenz sei überhaupt jegliche Übernahme von Echtzeitberechnungen wie Explosionen, dynamisches Licht, Spielerbewegungen, künstliche Intelligenz oder physikalische Effekte nicht praktikabel.

Ein Problem, dass auch Booty selbst einräumte und deshalb auf Rechenaufgaben verwies, die nicht in Echtzeit geschehen müssen. Ein Beispiel sei die (nicht dynamische) Umgebungsbeleuchtung von Spielwelten oder die prozedurale Weiterentwicklung von virtuellen Welten. Doch während dies realistischere Einsatzgebiete seien, hält Digital Foundry eine Übernahme von derartigen Berechnungen durch Server vor allem bei Einzelspielererlebnissen ebenfalls für reines Wunschdenken.

Nur für Multiplayer-Games sinnvoll

Betrachtet man vor allem Dritthersteller wie EA, Ubisoft oder Activision ließe sich der kostspielige Einsatz von Servern für Einzelspielererlebnisse wohl nur dann zu rechtfertigen, wenn es sich um eine standardisierte Lösung handelt, die auf sämtlichen Spielplattformen genutzt werden kann. Zum anderen müssten Hersteller immer einen Plan B bereitstellen, wenn die Internetverbindung unterbrochen wird. Und was dann? Wird das Umgebungslicht dann vorübergehend weniger spektakulär dargestellt oder gar das Spiel unterbrochen?

Konzepte zur prozeduralen Weiterentwicklung von Spielwelten sind zudem nicht neu und kommen heute schon bei MMOs zum Einsatz. Überhaupt erachten Eurogamers Experten den Einsatz von Cloud-Computing für Mehrspieler-Games am sinnvollsten und mittelfristig realistischsten. Ein Einsatzzweck, der aber weder exklusiv durch Microsofts Xbox Live-Serverfarmen möglich wäre, noch die Behauptung untermauert, die Cloud würde die Rechenleistung der Xbox One vervielfachen.

Es fehlen die Beweise

"Zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ist, dass das Konzept des Cloud-Computing ungewiss und unwahrscheinlich ist und Microsoft seine Behauptungen mit echter Software beweisen muss. Basierend darauf, was uns gesagt wurde, ist Microsoft selbst nicht sicher, wofür es (Cloud-Computing) einsetzen soll, während die Limitierungen durch Latenz und Internetbandbreiten, die potenziellen Vorzüge der Cloud-Computing-Power zunichte machen", resümiert Digital Foundry. "Der wiederholte Bezug auf Multiplayer-Spiele suggeriert eine weniger aufregende, wenngleich sicherlich wertvolle Bereicherung für konventionelle Mehrspielererlebnisse. Mehr Spieler, anpassbare Errungenschaften und intelligente Welten klingt alles toll in der Theorie, aber es ist sicher nicht die vierfache Steigerung der Xbox One-Rechenkraft zu erwarten."

Im Hinblick auf die Konkurrenz könne Microsofts Cloud-Strategie vermutlich wenig ausrichten. "Microsoft muss seine Position mit starken Ideen und praktischen Demonstrationen untermauern. Bis dahin ist es vermutlich am besten, sich nicht von der Idee einer supermächtigen Konsole blenden zu lassen und es gibt kaum Hinweise dafür, dass sich Sony um die Spezifikationvorteile der PS4 sorgen machen muss."

Cloud-Zukunft

Microsoft ist unterdessen nicht der einzige Konzern, der versucht, Videospiele mit Hilfe der Cloud zu bereichern. Das zwischendurch schon einmal Bankrott gegangene OnLive bietet Games gänzlich als Streaming-Dienst an und sieht sich nach wie vor mit den oben angesprochenen Bandbreitenproblemen konfrontiert. Sony übernahm vergangenes Jahr den OnLive-Konkurrent Gaikai und will damit künftig Spiel-Demos und alte PlayStation-Spiele auf die PS4 streamen. Für einen vollständigen Konsolenersatz ist es aber noch zu früh. Selbst wenn man Latenzprobleme in Kauf nimmt, benötigt man für das Streaming von Videospielen in 1080p-Auflösung eine Konstante Bandbreite von 100 Mbit/s und selbst dann hat man mit starken Komprimierungseffekten zu rechnen. (zw, derStandard.at, 29.5.2013)