Die Lehramtsausbildung an der Universität Wien besteht zunächst aus inhaltlich-fachlichen Veranstaltungen aus den gewählten Studienrichtungen (mindestens zwei). Weiters gibt es fachdidaktische Vorlesungen und Seminare, die den Studierenden nahelegen sollen, wie man besagtes, bestimmtes Fach Schülern beibringen kann. Diese werden von den jeweiligen Fakultäten und Studienrichtungen auch selbst organisiert. Zuletzt gibt es Pädagogik-Prüfungen, die für alle Kandidaten gleich sind und am Institut für Bildungswissenschaft stattfinden. Insgesamt machen Didaktik und Pädagogik knapp unter einem Drittel der Ausbildung aus.

"Also bei mir in der Schule war das so..."

Das klingt zwar auf den ersten Blick nicht schlecht, aber der Anschein trügt. Man nehme die pädagogische Ausbildung her: Abgesehen von Unterrichtspraktika, die erst spät im Studium stattfinden, sind es genau acht Prüfungen, die Lehramtskandidaten in Sachen Psychologie, (Geschichte der) Pädagogik, Theorie der Schule und dergleichen absolvieren müssen. Aus Fachdidaktik Deutsch hat man im ganzen Studium zum Beispiel nur acht Lehrveranstaltungen zu absolvieren. Meist unterscheiden sich die Lehrveranstaltungen nur im Namen, der Inhalt bleibt gleich. Teilweise gleichen die Sitzungen Therapiestunden, in denen alle Studierenden ihre Erfahrungen mit Schule und Unterricht teilen.

Vielleicht müsste man dieses Bedürfnis zunächst stillen, bevor man sich sinnvoll einer Lehramtsausbildung widmen kann. Therapie für Therapeuten als Belehrung der Lehrenden.

Die Methoden ähneln sich allerorts in der Lehramtsausbildung genau wie der Inhalt.

Keine Rechtschreibtests für Deutschlehrer

In der Schule werden momentan für alle Fächer sogenannte "Kompetenzen" definiert, die man in bestimmten Schulstufen sowie nach der Matura erworben haben soll. Wenn wir schon per Bologna und Familienbeihilfenkürzung, Leistungsgedanken und Druck aus der Wirtschaft auch den Hochschulbereich "verschulen": Wieso gibt es keine Zielkontrollen für Lehrende und Lehramtskandidaten? Warum muss ein Polizeischüler einen Rechtschreibtest machen, ein angehender Deutschlehrer aber keine einzige Lehrveranstaltung zu Grammatik oder Rechtschreibung besuchen?

Theorie und Praxis

Einerseits versucht die Ausbildung sich durch theoretische Abhandlung von Erziehung, Wissensvermittlung, Medien und Inhalten (als wissenschaftlich) zu legitimieren. Andererseits kann sie sich naturgemäß nicht von der Erfahrung, Erfahrungsberichten und Routine sowie Praxis lösen. Weiters ist ein theoretisch gut ausgebildeter Lehrer noch lange keine gute Lehrerin im praktischen und praktizierenden (Klassen-)Raum. Während letztere für die meisten auf den ersten Blick erkenntlich ist, ist es nur mit einer gewissen Unschärfe festzumachen, welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften die gute Lehrerin nun exakt ausmachen. Wie sollen diese dann auch noch vermittelbar sein?

Österreichische Ungleichungen

Die Lehramtsausbildung sollte stärker in Richtung Praxis gehen - im Klassenraum oder Probesituationen wird schnell klar, wer das Zeug zum Lehrer hat, während beispielsweise Zeitverschwendung mit Referaten und Gruppenarbeiten eine ärgerliche österreichische Lösung darstellen. Theorie soll selbstverständlich thematisiert werden, aber nicht durch Wiederkäuen der immer selben Texte in Gruppenarbeit- und Präsentationen. Wie eine der natürlich auch existierenden guten Professorinnen meinte: "Ich werde hier für die Stunden bezahlt, nicht Sie."

Weiters: Je kleiner die Studienrichtung bzw. Fakultät, desto besser das didaktische und pädagogische Angebot. Ergo: Je besser das Betreuungsverhältnis, desto besser auch die Ausbildung. So einfach wäre die Lösung: Mehr Übung, mehr Kohle, mehr männliche Lehrer, mehr Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund – dann könnte der momentanen Weltfremdheit der Ausbildung langsam entgegengewirkt werden. (Olja Alvir, daStandard.at, 29.5.2013)