Drei Fragen an Mitglieder der österreichischen Forschungscommunity:

1. Was braucht Österreichs Forschung in Zukunft?

2. Was war der größte Durchbruch der vergangenen zehn Jahre?

3. Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft? Haben Sie eine Idee für eine Erfindung?

Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschaftsfonds WWTF:

1. Die Karrieremodelle für junge universitäre Forscher und Forscherinnen sollten endlich internationales Format erhalten. Derzeit heißt Karriere hierzulande zu oft "keine Karriere" und das hiesige System Tenure-Track, um sich zu bewähren und in der Uni-Hierarchie aufzusteigen, ist zuerst zu holprig und endet dann zu früh.

2. Das Human Genome Project, die Entschlüsselung des menschlichen Genoms endete vor zehn Jahren.

3. Die Entkoppelung von Menschenwürde bzw. Menschenglück und motorisiertem Individualverkehr.

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Sabine Seidler, Rektorin der Technischen Universität (TU) Wien:

1. Wir brauchen Motivation, Fairness und den Rückenwind der Gesellschaft.

2. In der Materialforschung hat sich von der Nanowelt bis hin zur Entwicklung innovativer Werkstoffe für großvolumige Anwendungen enorm viel getan. Das Besondere daran ist, dass diese Forschung auf alle Lebensbereiche Einfluss nimmt.

3. Das Spannende an einer Erfindung ist, dass sie nicht vom Baum fällt, sondern dass sie sich entwickelt. Eine Idee braucht Humus, um wachsen zu können. Also würde ich für die Entwicklung dieses Nährbodens sorgen wollen.

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Anton Plimon, Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology (AIT): 

1. Das Erreichen von kritischen Massen entscheidet, ob Österreich, ein Land mit Ressourcendefizit, mit ausgewählten Themen international sichtbar ist. Forschungsthemen müssen daher vernetzt angegangen werden.

2. Resilienz: Der Ausfall eines Netzwerkknotenpunkts führt seither nicht mehr zum Ausfall des gesamten Systems.

3. Eine Erweiterung der Denkweise - wie am AIT vorgelebt: Mit Systemwissen und der Verschränkung von Sozialwissenschaften und Technologie weiß man, was Technologien leisten können und müssen.

Foto: AIT

Otto Doblhoff-Dier, Vizerektor für Forschung der Veterinärmedizinischen Universität: 

1. Die Forschungsinfrastruktur muss modernisiert werden. Die Belastung durch die Bürokratie ist radikal zu reduzieren. Wir brauchen durchgängige Karrieremodelle in der Wissenschaft - Stichwort echte Faculty-Modelle. Der Unternehmergeist ist auf allen Ebenen zu fördern.

2. Die Erforschung molekularer Mechanismen von Erkrankungen hat zu mehr als bemerkenswerten Fortschritten in der Medizin geführt.

3. Angesichts der Ressourcenknappheit führt kein Weg an konsequenten Kreislaufmodellen und neuen Formen der Energiespeicherung vorbei.

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Christoph Kratky, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Strukturbiologe, Uni Graz:

1. Österreichs Wissenschaft braucht die Umsetzung der Wachstumsperspektive, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat.

2. Rein persönlich: Rudolf Zechners Forschung, die sich mit Fettspeicherung und Fettmobilisierung im Körper beschäftigt. Für jemanden wie mich, der gegen Übergewicht kämpft, sind solche Erkenntnisse verständlicher als Quantenphysik.

3. Jeder Wissenschafter träumt davon, dass sein Name mit einer Erkenntnis verewigt werde ("Einsteinsche Relativitätstheorie"). Ich träume von einer "Kratky-Unvereinbarkeit".

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Reinhart Kögerler, Präsident der Christian-Doppler-Gesellschaft (CDG):

1. Die Entwicklung eines tauglichen Modells für die Finanzierung der Forschung an den Universitäten. Derzeit ist Forschungsfinanzierung an Lehrfinanzierung gekoppelt, was nicht logisch ist. Mehr Mittel für im Wettbewerb vergebene Förderungen.

2. Zwei Entdeckungen: die Bedeutung von epigenetischen Faktoren in der Genetik und die beschleunigte Expansion des Universums.

3. Die Herausforderung ist eine syste-mische Analyse der Probleme auf der Erde bzw. der globalen Entwicklungen (Ernährung, Wasser, Ressourcen).

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Markus Müller, Vizerektor für Forschung der Medizinischen Universität Wien: 

1. Die Politik ist gefordert, die Grundlagenforschung viel stärker zu unterstützen. Für die Grundlagenforschung wird derzeit weniger als ein halbes Prozent am Bruttoinlandsprodukt aufgewendet. In anderen Ländern liegt dieser Wert bei einem Prozent und auch die FTI-Strategie der Bundesregierung strebt diesen Wert an.

2. Der größte wissenschaftliche Durchbruch der vergangenen zehn Jahre war das Human Genome Project.

3. Die Alzheimer-Erkrankung gut behandelbar zu machen, halte ich für eine der wichtigsten Herausforderungen.

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Edeltraud Stiftinger, Geschäftsführerin der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS):

1. Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Innovation können ihre Wirkungskraft am besten entfalten, wenn die einzelnen Phasen im Innovationsprozess bestmöglich auf- einander abgestimmt sind. Das bräuchte Österreichs Forschung. Also keine kleingeistigen Debatten darüber, ob Grundlagenforschung oder angewandte Forschung wertvoller ist. Man braucht beides.

2. Die Entwicklungen in der Krebsforschung und die Navigationssysteme. Prinzipiell jede Forschung mit dem Menschen im Mittelpunkt.

3. Eine Impfung gegen Krebs.

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Henrietta Egerth & Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft FFG:

1. Wissenschaft, Forschung und Innovation brauchen vor allem einen nationalen Konsens, dass dieses Thema auf Platz 1 der politischen Zukunftsagenda steht. In Worten und mit Taten. Dann kommt das notwendige Budget fast von allein.

2. Es gab Durchbrüche in den Lebenswissenschaften und der Medizin. Dazu kam tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung durch die Informations- und Kommunikationstechnologien.

3. Es gibt viele Herausforderungen: die Behandlung von Krebs ebenso wie die Frage alternativer Energie- und Mobilitätssysteme.

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Christian Köberl, Direktor des Naturhistorischen Museums Wien und Impactforscher:

1. Es fehlt die Umsetzung der FTI-Strategie, insbesonders in der unterfinanzierten Grundlagenforschung. Außerdem brauchen wir eine bessere Wissenschaftskommunikation, um nicht Schlusslicht in der öffentlichen Akzeptanz zu bleiben.

2. Die Entdeckung, dass es eine Vielzahl von Planeten gibt, die andere Sterne umkreisen, stellt die anthropozentrische Arroganz unserer Spezies in Frage.

3. Ich würde ein Raumschiff bauen, mit dem man ohne lästige Verzögerung durch die Lichtgeschwindigkeit von Sternsystem zu Sternsystem flitzen kann.

(Peter Illetschko, DER STANDARD, 28.5.2013)

 

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