Wien - Nur in einem sind sich die Zeugen ziemlich einig: Die drei Töchter von Siegfried M. waren außergewöhnlich wohlerzogen. Staatsanwältin Ursula Kropiunig glaubt den Hintergund zu kennen: Der pensionierte Chefinspektor der Polizei soll seine Frau Claudia und die Töchter jahrelang terrorisiert und misshandelt haben, wenn sie nicht so wollten wie er.

Am Montag wurde vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Ingrid Altmann der Prozess gegen den 65-Jährigen, der die Vorwürfe leugnet, mit der Einvernahme weiterer Zeugen fortgesetzt. Teilweise Ungewöhnlicher. Der gelegentlich untergriffig verhandelnde Verteidiger Thomas Krankl hat beispielsweise einen Zeitungskolporteur aufgeboten. Der hat "den Sigi" einmal die Woche mit den Kindern einkaufen gehen gesehen, die Töchter seien immer recht fröhlich gewesen. Auch andere Bekannte, die die Verteidigung aufgeboten hatte, wollen keine Hinweise auf Misshandlungen bemerkt haben.

Blaue Flecken

Etwas anders hört sich an, was eine Schulkollegin der ältesten Tochter erzählt. Einmal habe sie blaue Flecken auf deren Unterschenkel bemerkt, einmal habe die sich tagelang die offenbar schmerzende Hüfte gehalten.

Die Exschwiegermutter von M. erzählt, dass ihr der Angeklagte im Jahr 2000 den Kontakt mit ihrer Tochter und den Enkeln verboten habe - von Drohungen und körperlichen Übergriffen will sie aber dennoch erfahren haben.

Flucht ins Frauenhaus

Flau im Magen wird einem bei der Aussage von Claudia F., die am 1. Dezember 2011 mit den Kindern in ein Frauenhaus flüchtete und jetzt unter Zeugenschutz steht. Am 25. November 2011 sei sie nach einem Streit zu den Eltern in die Steiermark gefahren, erzählt sie. Als sie am nächsten Tag zurück in die Wohnung kam, soll ihr der Angeklagte gesagt haben: "Gestern hätte ich es fast gemacht. Ich hätte den Kindern Schlaftabletten gegeben, sie erschossen, ihnen den Bauch aufgeschlitzt und zum Zeichen meiner Liebe eine Rose hineingelegt. Wenn du das gesehen hättest, wärst du irre geworden."

Am Dienstag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 28.5.2013)