Wien - Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner am vergangenen Mittwoch flimmerten Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden - zusammen mit Sänger Jonas Kaufmann - über die TV-Bildschirme, nun machen der Chefdirigent und sein Orchester in Wien Station.

Gleichwohl mutete der Sonntagabend eigentlich wie ein Heimspiel an - zumindest gemessen an der Herzlichkeit, um nicht zu sagen Inbrunst, mit der das Publikum den deutschen Kapellmeister empfing. Aber das ist ja nun nichts Neues. Und gar nicht neu ist auch, dass manchen trotz der Ermutigung des Bayreuther Meisters "Kinder, schafft Neues!" jedweder auch nur halbwegs zeitgenössische Klang ein Dorn im Ohr ist.

Und so waren die Reaktionen auf das ohnehin recht moderat-träge Orchesterwerk Fraternité von Hans Werner Henze verhalten bis ablehnend. Ja, es wurde gebuht. Gewohnt frenetisch hingegen die Resonanz auf die Opernouvertüren und -szenen, bei denen Tenor Johan Botha nicht nur bei der Rom-Erzählung aus dem Tannhäuser "Inbrunst im Herzen" hatte, mühelose Kraftentfaltung, wogende Phrasierung und leider nicht immer ganz verständliche Diktion inklusive.

Überwältigung statt Klarheit

Das Orchester zeigte natürlich all seinen Glanz, und natürlich verstand es auch sein Leiter, die Musiker und das Publikum bei den Ausschnitten aus dem Holländer, Rienzi, Lohengrin und Tannhäuser sowie der bierernsten Faust-Ouvertüre geradezu hypnotisch bei der Stange zu halten.

Das mildert aber nicht das Unbehagen, dass Thielemann routinemäßig eher auf Überwältigung als (trotz der Überbetonung mancher Details) auf Erhellung musikalischer Zusammenhänge abzielt. Stattdessen agiert er aus dem Bauch heraus, sodass es womöglich nicht ganz verfehlt wäre, das Beethoven'sche "Von Herzen - möge es wieder zu Herzen gehen" entsprechend umzuformulieren. (Daniel Ender, DER STANDARD, 28.5.2013)