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Mit Kanone gegen die Gefangene: Regisseur Philipp Stölzl hat keine Angst vor schrillen, plakativen Momenten, wenn es darum geht, der wirren " Trovatore"-Story Bühnenwirkung zu verleihen. 

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Wien - Zu den Seltsamkeiten der Festwochen-Operndramaturgie gehört, dass das heurige Verdi-Jahr für das Festival schon 2011 begonnen hat, also bereits ganze drei Jahre währt. Was mit Rigoletto ansetzte, durch Traviata fortgesetzt wurde, fügt sich nun mit Giuseppe Verdis Il Trovatore somit zu einer Langzeittrilogie, die als solche wahrzunehmen allerdings ein übertrainiertes Operngedächtnis erfordern würde.

Eine Trilogie, die den Namen verdiente, hätte mit allen drei Werken in diesem Verdi-Jahr aufwarten müssen. Wobei: Natürlich hätte das den logistisch-finanziellen Festwochen-Rahmen gesprengt; zudem würde sich künstlerisch eine Wiederaufnahme von Rigoletto und Traviata nicht unbedingt aufdrängen. Seltsam scheint das Konzept dennoch, das der scheidende Musikchef der Festwochen, Stéphane Lissner, da entworfen hat.

Die wirre Story

Wie auch immer. Il Trovatore im Theater an der Wien ist - im Vergleich zu den anderen beiden Verdi-Produktionen - als teilweise gelungen zu bezeichnen. Regisseur Philipp Stölzl (er schuf auch Videoclips für Rammstein, Madonna und einen James Bond-Titelsong) versucht aus der wirren Story nicht schlau zu werden. Er kreiert einfach skurrile Gefühlsüberdruckfiguren, deren Outfit einem alten Shakespeare-Theater nacheifert und deren Körpersprache sich gerne auch puppenhaft eckig gibt (besonders die formidable Mara Mastalir als Inéz).

Da wären die sich im Rhythmus der Musik und der Angst, die sie durchflutet, immer neu gruppierenden und zu Skulpturen erstarrenden Chormassen (intensiv der Schoenberg-Chor).

Mit ihnen erreicht Stölzl immerhin interessante optische Effekte abseits der üblichen Stehpartie. Man sieht: Die Einzelcharaktere des Chores sind detailliert und individuell gezeichnet und zumindest für eine Weile mit ihrer Bewegungsästhetik bühnenwirksam. Besonders, da sich alles auf einer kahlen, von zwei weißen Wänden begrenzten Schräge (Bühnenbild: Conrad Moritz Reinhardt und Stölzl selbst) abspielt, gewinnt das Opernpersonal an Wirkung. Und: Illustrativ hilfreich ist der Einsatz von Animationsfilm-Momenten, die auf den weißen Wänden in comichafter Weise auf die Figuren eingehen.

Natürlich hat diese Musik - mit ihrem vokalen Schweregrad - eine das Schauspiel bremsende Wirkung, was - besonders bei den Herrn - der Personenführung dann doch das Überleben schwer macht. Da kann Artur Rucinski (als wunderbar klar seine Linien singender Luna) Arien mit dem Hackebeil in der Hand absolvieren; mehr als unfreiwillige Komik generiert das nicht.

Und besonders Yonghoon Lee (als Manrico) muss leider als Inbegriff szenischer Starre erwähnt werden, wobei auch sein Gesang etwas aufdringlich wirkte. Zwar kamen die Töne (bis auf die eher verhaute Stretta im dritten Akt) mit großer Klarheit daher. Facetten fehlen jedoch - alles verharrt in einem Kräfte verzehrenden Dauerforte.

Eher eine Materialschlacht

Da war Carmen Giannattasio (als Leonora) schon weitaus flexibler: Eine gewisse Rauheit ist ihrer Stimme zwar nicht abzusprechen. Es kommen indes die Koloraturen tragfähig rüber, und im vierten Akt gelingen ihr auch ein paar beachtliche Piano-Momente. Profund natürlich Marina Prudenskaya (als Azucena) und Gabor Bretz (als Ferrando).

Dirigent Omer Meir Wellber heizt diese Geschichte von Verwechslung und Liebeswahn ordentlich an. Vor allem aber durch Lautstärke. Das ORF-Radio Symphonieorchester Wien klingt denn auch so dynamisch wie herb, was zwar irgendwie zum schrillen Bühnenirrsinn passt.

In Summe wird die musikalische Seite jedoch zu einer rohen Materialschlacht, die wenig Sinn für Nuancen erkennen lässt und auf eine vordergründige Art der Intensität setzt. Der Applaus war üppig, nur für die Regie gab es ein paar deutliche Buhs. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 28.5.2013)