Arnulf Rainers "Abendkreuz" (1989-90) als erddunkler Vogel hinter Mario Merz' Iglu aus zerbrochenen Steinplatten (1991).

Foto: Arnulf-Rainer-Museum

Baden - "Das", zeigt Arnulf Rainer im Stiegenaufgang auf eines seiner Bilder, "ist ein Tintenfisch. Und das dort auch." Eigentlich könnte die Ausstellung ja überhaupt "Zoologica" heißen: "Bei Mario Merz sind es auf den Bildern ja auch immer Tiere. Ich bin von diesem Blick angesteckt worden und sehe nun in meinen Bildern auch immer ein Tier. Schwierig war es nur bei den Kreuzen. Aber dann hat Rudi Fuchs ein Kreuz schief aufgehängt. Und da habe ich gesehen: Es ist ein Vogel, ein Flugobjekt, ein Schmetterling. Meine Kreuze sind mehr Zoologie als Theologie." Die genauen Titel möge man aber bitte beim Kurator erfragen: "Ich gebe ihm die Blankovollmacht. Er hat die Bilder ausgesucht. Er kann sie auch betiteln." So heißt nun etwa ein Bild Wasserfrosch, Mammut ein anderes, und ein Kreuzbild ist als Blauer Adler benannt.

Ein neuer, ein überraschender Blick auf ein Werk, das man zu kennen glaubt: Dies gelingt, mit betörender Leichtigkeit, dem niederländischen Ausstellungsmacher Rudi Fuchs derzeit im Rainer-Museum, wo er Bilder Arnulf Rainers mit Gemälden und Objekten des italienischen Künstlers Mario Merz (1925-2003 zueinander in Beziehung setzt. Fuchs, Kunsthistoriker, ehemaliger Museumsdirektor (etwa des Stedelijk in Amsterdam oder des Moderne-Museums in Turin) und international tätiger Kurator, tat dies schon einmal, vor 41 Jahren, bei der Documenta 7 in Kassel, damals allerdings nur in einem Raum.

Am Rainer-Museum, dem ehemaligen Frauenbad in Baden, mit seinen kleinen Räumen, engen Kabinen, den Nischen, schmalen Stiegenaufgängen und den Marmorwänden in den ehemaligen Baderäumen würden einige Kuratoren scheitern. Fuchs nicht. Wie bei einer harmonischen Tischordnung gelangen ihm erhellende Dialoge, amüsante Nachbarschaften, erlesene Farbräume.

Atemberaubende Zartheit

Aus Rainers Depots förderte er ausschließlich noch nie gezeigte Bilder zutage, die meisten aus den 1980er- und 1990er-Jahren: Schleierbilder von atemberaubender Zartheit, kleinformatige, verwischte Farbschichtungen, hohe, schlanke Kimonokreuze, lässt sie Zwiesprache halten mit Merz' Werk.

Natürlich zeigt Fuchs einige der typischen Merz-Raum-Installationen und Skulpturen, etwa From the Upturned Bottle (1980): Auf der Spitze von fünf schlanken, hochaufragenden Holzstangen balanciert eine Flasche, aus der, wie Weißwein, milchiges Neonlicht fließt. Oder auch einen der weltberühmten Iglus aus gebrochenen Steinplatten mit einem Durchmesser von drei Metern. Vor allem aber zeigt Fuchs das malerische und zeichnerische Werk des italienischen Arte-Povera-Künstlers, die Tiere vor allem, von denen Rainer spricht. Den orangefarbenen Tiger. Vögel. Echsen. Den Elefanten mit drei Ohren, der aber auch eine lose Anordnung von Erdäpfeln sein könnte.

Es ist diese formlose Form, die Merz und Rainer, beide in den 1920ern geboren, beide aus dem Informel kommend, eint. Doch Merz wuchs mit seinen Materialbildern zunehmend in den Raum, kombinierte "arme" Materialien wie Holz, Stein. Reisig mit Neon, einem damals neuen Werk- und Kunststoff. Das habe ihn persönlich nie interessiert, sagt Rainer. Und fügt vergnügt hinzu: "Mit den Neonbuchstaben oder -zahlen hat er seine Bilder für die Zoohandlung nummeriert." (Andrea Schurian, DER STANDARD, 27.5.2013)