Geschäftsführende Direktorin der Werzer-Hotelbetriebe: Heidi Schaller.

Foto: Sabine Strobl

STANDARD: Was läuft im österreichischen Tourismus gut, was schlecht?

Schaller: Der Stadthotellerie geht es generell besser als der Ferienhotellerie, auch wenn viele Zimmer dazugekommen sind, die erst gefüllt werden müssen. In der Ferienhotellerie geht es jenen gut, die in Qualität investiert haben. Den Winterdestinationen ist es gelungen, eine Zwei-Saisonen-Hotellerie zu etablieren, die im Sommer mit Wandern und dem Thema Berg, im Winter mit dem Thema Ski auf einen positiven GOP (Gross Operating Profit; Betriebsergebnis, Anm.) kommt.

STANDARD: Und in Sonnendestinationen wie Kärnten?

Schaller: Da passt die Qualität der Betriebe insgesamt noch nicht. Speziell in der Zwei- und Dreisternekategorie bieten wir sehr schlechte Qualität zu einem viel zu hohen Preis an. Generell muss man vom Denken wegkommen, nur dreieinhalb Monate im Jahr aufzusperren, und aus.

STANDARD: Dabei war Kärnten einmal Impulsgeber im Tourismus. Warum ist es das nicht mehr?

Schaller: Den Hoteliers ist es zu gut gegangen, und es geht ihnen offenbar immer noch viel zu gut. Wenn sie mit dreieinhalb, vier Monaten das Auslangen finden, müssen sie nicht mehr Einsatz zeigen. Wenn man hingegen in die Qualität investiert, ist man gezwungen, das Haus länger offenzuhalten, weil man mehr Umsatz braucht.

STANDARD: Trifft Altkanzler Bruno Kreisky Mitschuld am Abstieg? Mitte der 1970er-Jahre hat er angekündigt, Urlaub auf Mallorca zu machen, Kärnten sei zu teuer.

Schaller: Das glaub ich nicht, auch wenn er die Wahrheit gesagt hat.

STANDARD: Noch vor 20 Jahren wurde am Wörthersee Kaffee kännchenweise verkauft, Preise waren in DM angeschrieben. War diese Anbiederung an den deutschen Gast Mitgrund für den anschließenden Niedergang?

Schaller: Absolut. Ich bin vor zehn Jahren ins Werzer gekommen, damals war es auch noch so. Ich war schockiert, wie mich Mitarbeiter gefragt haben, ob sie einem österreichischen Gast für zwei Nächte überhaupt ein Angebot schicken sollen. Das ist inzwischen anders.

STANDARD: Wie würden Sie heute das Urlaubsland Kärnten in drei Schlagworten charakterisieren?

Schaller: Naturschönheiten das ganze Jahr, ein paar sehr schöne Hotels, die es geschafft haben, dem heutigen Standard zu entsprechen. Und Eventtourismus. Der ist mit Kärnten verknüpft.

STANDARD: Noch 1980 gab es knapp 19 Millionen Nächtigungen in Kärnten, im Vorjahr waren es noch 12,6 Millionen. Sehen Sie einen Weg zurück zur höheren Zahl?

Schaller: Nein. Und zwar deshalb, weil viele Nächtigungen hauptsächlich im Zweisterne- und Pensionsbereich gemacht wurden; der heutige Gast ist nicht mehr bereit, für ein Zimmer mit niedriger Qualität 60 Euro zu zahlen.

STANDARD: Was ist Voraussetzung, um Kärnten touristisch zurück auf die Überholspur zu bringen?

Schaller: Gute Produkte. Man kann die Berge mit den Badehäusern verknüpfen, im Winter auch das Thema Schnee mit Wellness am See. Wenn man das zu einem vernünftigen Preis anbietet, sehe ich viel Potenzial. In der Vermarktung haben wir aber noch Schwächen.

STANDARD: Es gibt auch in Kärnten Betriebe, die ganzjährig offen sind.

Schaller: Leider viel zu wenige. Für mich wäre es schon ein Gewinn, wenn sehr viele Hotels von März bis November offenhielten. Für die Saisonverlängerung zu kämpfen wäre ein wichtiger Schritt nach vorn. Ich setze große Hoffnungen in die Kärnten Werbung.

STANDARD: Tourismus ist wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig innovations- und damit auch investitionsgetrieben. Was kann die Politik unterstützend tun.

Schaller: Dinge einfacher machen. Ein Familienbetrieb, der investieren will, ist heute verloren. Der findet sich im Förderdschungel nicht zurecht. Das Fördersystem gehört komplett überdacht.

STANDARD: Was noch?

Schaller: Die Politik soll sich heraushalten, die hat im Tourismus nichts verloren. Politiker sollten Rahmenbedingungen festlegen - aus.

STANDARD: Bremsklotz Politik?

Schaller: Total. Es gibt wenig positive Ausnahmen. Das sieht man auch beim Mitarbeiterthema. Bei den Genehmigungen ist die Politik viel zu streng. Die Branche benötigt viel mehr Arbeitskräfte und auch schnellere Abwicklungen. Wir bekommen erst Mitte/Ende Mai die Kontingente bewilligt, obwohl wir im März aufsperren. Für den Gesamtraum Wörthersee haben wir nur 40 Saisonbewilligungen.

STANDARD: Sie managen drei Häuser, mit Werzer's in Pörtschach als Flaggschiff. Lassen sich nur größere Einheiten wirtschaftlich führen?

Schaller: Das glaube ich nicht. Es hängt vom Engagement ab. Wenn man mit Leib und Seele dabei ist, spürt das der Gast, egal wie groß das Haus ist. So gesehen kann man mit jedem Produkt Erfolg haben. (Günther Strobl, DER STANDARD; 27.5.2013)