Bild nicht mehr verfügbar.

Fund und Auswertung britischer Geheimdienstakten erinnern an Geschichten, wie sie John le Carré schrieb - hier Sir Alec Guinness als le Carrés populärste Schöpfung: Der in mehreren Romanen agierende Geheimdienstmann George Smiley.

Foto: Reuters/BBC

Über Oberstleutnant Dudley Clarke sprachen die Vorgesetzten nur in höchsten Tönen. "Kein anderer Offizier" in britischen Diensten habe mehr zum Sieg im Zweiten Weltkrieg beigetragen als der gebürtige Südafrikaner, schwärmte etwa Feldmarschall Harold Alexander. Der Geheimagent Ihrer Majestät sorgte aber auch für Heiterkeit. So ließ er sich im Oktober 1941 von der Polizei in Madrid bei einem Spaziergang in Frauenkleidern erwischen. Er habe Material für ein Buch sammeln wollen, lautete die Ausrede des offiziell als "Times"-Korrespondent arbeitenden Agenten.

Während deutsche Agenten in Spanien eine "erstklassige Spionagegeschichte" witterten, taten die Sicherheitskräfte von Diktator Francisco Franco den bizarren Auftritt als "homosexuelle Affäre" ab. Clarke wurde auf Drängen der Briten aus der Haft entlassen und nach Gibraltar verfrachtet.

Die hübsche Geschichte vom Agenten im BH, in dessen Gepäck die erregte Polizei "eine Rolle superfeinen Toilettenpapiers" fand, blieb mehr als 70 Jahre lang streng geheim. Dieser Tage veröffentlichte die Londoner Kabinettsbehörde ein Konvolut von Akten aus den Jahren 1936 bis 1951, darunter auch den detaillierten Brief der britischen Botschaft in Madrid über Clarkes Heldentat.

Viele Papiere seien jahrzehntelang in zwei Räumen im Regierungsviertel Whitehall gelegen, erzählt Gill Bennett, Ex-Chefhistorikerin des Foreign Office. "Diverse Papiere des Kabinettssekretärs" lautete die offizielle Bezeichnung. So sah es im Archiv auch aus: "einfach nur Berge von Akten, völlig ungeordnet".

Dass das Material jetzt im Staatsarchiv von Kew geordnet und einzusehen ist, ist einem Kabinettssekretär (1998-2002) mit Sinn für Historisches zu verdanken. Richard Wilsons ließ die Papierstapel erstmals systematisch erfassen. Bennett arbeitete dann noch jahrelang daran, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und zu entscheiden, was weiter geheimzuhalten ist.

Nachlesen lässt sich jetzt jedenfalls, wie Wilsons Vorgänger, Norman Brook, 1951 die Bemühungen seiner Spione gegen die Sowjetunion bewertete. Es gebe kaum Fortschritte. "Russland ist das schwierigste Ziel, viel schwieriger als die Nazis", meinte Brooks.

Von einem "Schnappschuss britischer Geheimdiensttätigkeit" sprach Geschichtsprofessor Peter Hennessy. Ihr Inhalt und wie sie gefunden wurden, sei "purer le Carré". Schließlich habe der Autor von Spionagethrillern ("Der Spion, der aus der Kälte kam") und Ex-Geheimdienstagent in Büchern mehrmals düstere Archive mit geheimem Material erwähnt.

Schwarz auf weiß liegt nun auch vor, dass die britische Regierung Edward VIII. 1936 vor seiner Abdankung abhören ließ. In der Anweisung an die Postbehörde war von Anrufen des Königs "auf dem europäischen Kontinent" die Rede - dabei ging es um die Kommunikation mit Wallis Simpson, seiner Geliebten und späteren Frau, die in Südfrankreich war.

Die Abhöraktion sei "keine Überraschung", urteilt Historiker Hugo Vickers, die Stabilität des Staatswesens stand auf dem Spiel. Mit diesem Argument zensierte Innenminister John Simon auch ein Telegramm von Neil Forbes Grant, in dem der Korrespondent der Cape Times Edwards Abdankung ankündigte. Der Minister appellierte an Grants "Verantwortungsgefühl als Journalist und Engländer". Vier Tage später legte der König die Krone nieder. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 27.5.2013)