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Foto: dpa/Weihrauch

In knapp zwei Wochen, am 6. Juni, will die EU-Kommission damit beginnen, Strafzölle von durchschnittlich 47 Prozent auf chinesische Solarmodule einzuheben. Der Vorwurf gegen die chinesischen Produzenten: Sie verkaufen ihre Produkte viel zu billig, nämlich unterhalb der tatsächlichen Produktionskosten, und wollen damit die europäischen Rivalen vernichten und dann den lukrativen Markt dominieren. Dumping heißt diese Strategie, die auch nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO mit Protektionismus bekämpft werden kann.

Es ist das größte Verfahren gegen Handelssubventionen, das je von der EU eingeleitet worden ist, und es sticht noch aus einem anderen Grund hervor: Es ist das wahrscheinlich dümmste und schädlichste Vorhaben, das je aus Brüssel herausgekommen ist. Wenn der belgische Außenhandelskommissar Karel de Gucht tatsächlich damit ernst macht, dann müsste ein Aufschrei der Empörung aus ganz Europa zu hören sein.

Bisher kommt der nur aus Deutschland, von wo die Klagen über unfaire chinesische Konkurrenz ursprünglich ausgegangen war. FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler nennt die Anti-Dumping-Zölle "einen schweren Fehler", und auch Kanzlerin Angela Merkel könnte bei ihrem Treffen mit dem chinesischen Premier Li Keqiang am Sonntag öffentlich Stellung beziehen. Aber verhindern kann es Europas größte Wirtschaftsmacht nicht. Denn Handelspolitik ist jener Bereich, den die EU-Kommission fast vollständig kontrolliert.

Normalerweise setzt sich die Kommission für offene Märkte und gegen Protektionismus ein. Nur beim Anti-Dumping ist sie oft bereit, den Beschwerden europäischer Hersteller Folge zu leisten – offenbar auch, um den stets vorhandenen Widerstand gegen Freihandel zu kanalisieren. Aber mit diesem taktischen Kalkül lassen sich die Strafzölle auf Solarpanels nicht rechtfertigen. Dazu ist diese Maßnahme von zu großer Tragweite. Es geht um einen 21-Milliarden-Euro-Markt.

Es stimmt, dass die chinesischen Billigpanels nicht die deutsche Solarworld, sondern auch andere europäische Hersteller in den Konkurs getrieben haben. Und möglich ist es auch, dass China hier auf Teufel komm raus auf Massenherstellung setzt und deshalb die Preise drastisch drückt.

Die konkreten Vorwürfe gegen China betreffen Subventionen wie billige Kredite, billige Energie und kostenloses Bauland für die lokalen Hersteller – Faktoren, deren Auswirkungen auf die Kosten sich von außen gar nicht genau messen lassen.

Und darin eine große Verschwörung zu wittern, bei der China nach dem Weltmonopol in der Sonnenenergie greift  - und nur das würde Anti-Dumping-Zölle volkswirtschaftlich rechtfertigen – ist  dämlich oder paranoid. Europa hat von der chinesischen Preispolitik bereits mehrfach profitiert. Erst durch den Preissturz bei den Modulen ist die Solarenergie überhaupt in die Nähe der Rentabilität gekommen. Aus Sicht der Umwelt und des Klimaschutzes gebührt den Chinesen daher Applaus.

Profitiert haben auch die Zulieferer für die Panelproduktion, etwa die Hersteller von Polysilizium oder der entsprechenden Maschinen. Und die sitzen vielfach in Europa, vor allem in Deutschland. Wie viele Deshalb ist auch die Regierung in Berlin über de Gucht so verärgert.

Tatsächlich ist die Herstellung der Module eine mechanische Massenarbeit, die eher in ein Schwellenland wie China als in ein Hochlohnland gehört. Die Geschwindigkeit, mit der der Markt von China übernommen wurde, war zwar zunächst schockierend, aber nicht wirklich überraschend.

Zu all dem kommen die chinesischen Drohungen mit Vergeltung, die in einen allgemeinen Handelskrieg münden könnten. Das ist zwar wenig wahrscheinlich, denn China ist sowohl von Exporten als auch Importen aus Europa in hohem Ausmaß abhängig.

Aber selbst punktuelle Verschlechterungen in den Handelsbeziehungen würden beiden Seiten schaden. Die Auswirkungen auf den europäischen Arbeitsmarkt sind umstritten, aber jedenfalls schlecht.

Die EU-Kommission muss endlich aufhören, Industrielobbys, die aus reinem Eigennutz um Schutzzölle  betteln, nachzugeben. Und sie muss den Blick auf das wirtschaftliche Gesamtbild werfen. Die chinesischen Billigmodule sind ein zentrales Element der Energiewende. Wer sie mit protektionistischen Maßnahmen vertreiben will, versteht gar nichts von Wirtschaft.