Ein Bild aus dem von einem Zeugen gefilmten Video zeigt, wie Sanitäter und eine Sicherheitswachebeamtin am auf dem Cheibani W. stehen

Foto: ORF / Falter
Wien - Auch nach der ORF- Ausstrahlung des Amateurvideos zum Todesfall des 33- jährigen Mauretaniers Cheibani W. liefen die gerichtlichen Vorerhebungen am Dienstag vorerst weiterhin gegen "unbekannte Täter". Die Staatsanwaltschaft Wien wird erst dann Beschuldigungen gegen konkrete Personen erheben, wenn alle Einvernahmen abgeschlossen sind.

Das Video, das der Wiener Stadtzeitung Falter zugespielt worden war, hat nicht nur den Chefarzt der Wiener Rettung, Alfred Kaff, dazu veranlasst, das beteiligte Rettungsteam zu suspendieren. Die Staatsanwaltschaft lässt deswegen auch wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermitteln. Nach dem Standard vorliegenden Erkenntnissen wehrt sich der suspendierte Notarzt gegen Schuldzuweisungen und macht die Polizei für die Eskalierung der Situation verantwortlich.

Psychopax-Tropfen

Wie berichtet, hatte der inzwischen zurückgetretene Leiter des Kulturprojektes beide Blaulichtorganisationen alarmiert, weil Cheibani W. durchgedreht haben soll. Der Notarzt wollte ihn mit Psychopax-Tropfen, einem angstlösenden, beruhigenden Medikament, behandeln. Doch dies sei von den Polizisten als nicht notwendig erachtet worden. Erst später, als sich W. nicht beruhigen ließ und am Boden fixiert worden war, hätte die Polizei die Verabreichung einer Beruhigungsspritze (Haldol) zugelassen.

Die Polizei weist die Vorwürfe zurück: "Wiederholte heftige Aggressionsausbrüche veranlassten die Kräfte, Cheibani W. am Boden zu fixieren, um ihm die offenbar notwendige ärztliche Hilfe angedeihen zu lassen", hieß es Dienstag in einer Aussendung. Derzeit bestehe kein Anlass für disziplinäre Maßnahmen.

Handlungsunfähig

"Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen gar nichts, wenn es darum geht, ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern", meint der Allgemeinmediziner und Fachmann für ärztliche Qualitätssicherung, Hans-Joachim Fuchs. Auch er hat das Video gesehen, und für ihn hat es eines gezeigt: "Ratlosigkeit und handlungsunfähige Professionalisten." Die Frage nach dem Warum führe gezwungenermaßen zu gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen. "Und Fakt ist", so Fuchs, "dass Afrikaner durch alltagsrassistische Vorurteile zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden." (red/Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 23. Juli 2003)