Im Fall des britischen Waffenexperten David Kelly erhebt die Londoner Tageszeitung "The Guardian" (Montagsausgabe) schwere Vorwürfe gegen die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft BBC. Die BBC-Führung habe nämlich einen Kompromiss blockiert, der den Selbstmord Kellys womöglich verhindert hätte. BBC-Präsident Gavyn Davies und BBC-Generaldirektor Greg Dyke hätten ein Angebot der Regierung ausgeschlagen, bevor diese die Identität von Kelly als Quelle für den umstrittenen BBC-Bericht über aufgebauschte Irak-Waffendossier an die Medien durchsickern ließ.

Massiver Druck

Die BBC-Führung sei nämlich entschlossen gewesen, in ihrem Konflikt mit dem Sprecher des britischen Premierministers, Alastair Campbell, nicht einzulenken. Campbell hatte wegen des BBC-Berichts massiven Druck auf die öffentlich-rechtliche Anstalt ausgeübt. Vor allem Davies sei nämlich besorgt gewesen, er würde in diesem Fall innerhalb der BBC seine Autorität verlieren und als Labour-Parteisoldat dastehen. Daher habe er es Dyke untersagt, Fühler zur Regierung auszustrecken. Die beiden führenden BBC-Funktionäre gelten als der Partei von Regierungschef Tony Blair nahe stehend.

Kelly war BBC-Informant

Am Sonntag hatte die BBC eingeräumt, dass Kelly der Informant für den regierungskritischen Bericht über irakische Waffen gewesen sei. Darin wird dem Kabinett vorgeworfen, Geheimdienstberichte aufgemotzt zu haben. So sei auf Betreiben von Campbell die Formulierung eingefügt worden, der Irak könne innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen aktivieren. Der 59-jährige Kelly hatte noch am Dienstag bei einer Anhörung vor dem Parlamentsausschuss erklärt, nicht die "Hauptquelle" für den BBC-Bericht gewesen zu sein. (APA)