Natürlich kann man auch einfach den "Strip" entlanghirschen. Denn die Prater-Hauptallee ist vermutlich die einfachste Methode, sich in Wien laufend verkehrs- und kreuzungsarm im Grünraum, eben und auf festem Untergrund und absolut verlaufsicher zu bewegen. Außerdem gibt es alle paar hundert Meter Wasserspender und Ausstiegsoptionen (vulgo: Öffis), die Anreise mit Öffi, Rad oder Auto ist einfach, es gibt genügend Parkplätze und, und, und. Darüber hinaus sticht und blendet die Sonne nicht, man ist nie, wirklich nie ganz allein, kann auch im Rudel nebeneinander laufen, und zwei, drei Sehenswürdigkeiten bekommt man auch noch vor die Nase gesetzt.

Fein – aber relativ rasch ziemlich fad. Andererseits: Um einfach hirntot-meditativ zu traben, systematisch Intervalle zu trainieren, Sprints oder Laufspiele zu zelebrieren et cetera ist die Strecke ideal. Nicht zuletzt wegen der zahlreichen Distanzmarken: Neben den von der Stadt aufgestellten Kilometertafeln gibt es Dutzende andere Markierungen. Hat man die einmal durchschaut, werden sie rasch zu einem wichtigen Bestandteil des eigenen Trainings. (Klar: Man kann auch Bäume zählen ...)

Foto: Thomas Rottenberg

Dennoch: Die Hauptallee ist fad. Trotzdem picken zahllose Läuferinnen und Läufer fast sklavisch auf ihr – und haben, scheint's, sogar vor den asphaltierten Wegen, die sich rund um dieses Lauf-Rückgrat schlängeln, Bammel. Weil: siehe oben. Dabei lässt sich der Strip auf 1.001 Arten in nette Läufe integrieren – sogar wenn man mit dem Auto angereist ist und unbedingt zum Parkplatz zurückwill/-muss.

Abgesehen von den Kreuz-und-quer-durch-den-Prater-Routen (zu denen ein anderes Mal) ist aber vor allem die Strecke entlang der Alten Donau eine angenehme, abwechslungsreiche und supereinfach zu laufende Variante – und zwar in jeder Richtung.

Am einfachsten ist es, mit der U1 vom Praterstern bis zur Station "Alte Donau" zu fahren (ja, man kann auch laufen – aber neben der Straße ...). Ab da geht es kreuzungs- und autofrei bis auf die Hauptallee: Von der Arbeiterstrandbadstraße biegt man am besten beim Eckgeschäft der Segelschule Hofbauer links ab, folgt dem Radweg entlang der Wagramer Straße und biegt nach der Brücke übers Wasser links ab, um die Radwegschleife unter der Brücke hindurch zu nehmen.

Foto: Thomas Rottenberg

Ab da kann man sich nicht einmal mehr absichtlich verlaufen: Den Uferweg entlang geht es an Ruderclub-Heimen, den in den letzten Jahren immer größer und mondäner werdenden Wohn- und Schreberhütten und diversen öffentlichen, Vereins- und Quasi-Privatstegen (an manchen Ecken gelten hier ganz eigene Besitzstrukturen im öffentlichen Raum – das merkt man ganz ganz schnell ...) vorbei Richtung Ost-Südost.

Foto: Thomas Rottenberg

Vor allem in den Morgenstunden schadet es nicht, hier ein Auge auf Gartentüren und Stege zu haben: Ruderer, die ihren Achter zum oder vom Wasser tragen, sehen oft nicht, was sich von links oder rechts nähert. Dafür ist ihr Anblick am Wasser ein majestätisch-erhaben-schönes Spektakel.

Foto: Thomas Rottenberg

Oder hochlustig: Wenn ein Anfängervierer am Gänsehäufel entlangzieht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis aus Rudern Fechten wird. Das Klackern der sich kreuzenden Riemen scheucht dann auch noch den entspanntesten Reiher im Schilf auf – und die Fischer auf den alten Betonstufen haben entweder etwas zum Lästern oder zum Schimpfen: Der Lärm vertreibt die Fische.

Foto: Thomas Rottenberg

Je weiter es Richtung Südosten geht, umso wienerisch-idyllisch-malerischer wird die Szenerie: Die Häuser schrumpfen wieder auf Schrebergartengröße, während übers Wasser die neue Wiener Hochhausskyline grüßt – und die im vergangenen Sommer rundumerneuerten Stege mit ihren netten, fest verankerten Holzliegestühlen eine ebenso verlockende wie lohnende Einladung zu einem nichtlaufenden Besuch aussprechen wie die teils urigen, teils grindingen, teils aber auch überraschend guten Gasthäuser an dieser Seite der Alten Donau.

Foto: Thomas Rottenberg

Ziemlich genau vier Kilometer ist man unterwegs, bis es die erste Ausstiegsoption gibt: die U2-Station Donaustadtbrücke. Von hier könnte man jetzt einfach wieder heim (oder zum Parkplatz beim Stadion) fahren – oder doch weiterlaufen: Kurz vor der U-Bahn-Station ist eine kleine, meist unbefahrene Straße zu queren. Dann kommt die erste von zwei spürbaren leichten Steigungen: Es geht über die Donauuferautobahn und über die Neue Donau. Auf der Radwegbrücke unter der U-Bahn erspart man sich vier oder fünf Höhenmeter – aber vom Wehr ein paar Meter flussaufwärts aus ist der Wasserskilift gut im Blick. Vorsicht: Das Strandcafé dort hat schon manchen Workout enden lassen ...

Auf der Donauinsel hält man sich schräg links, versucht in der Gruppe, den Rennradfahrern das Vorbeikommen nicht schwer zu machen – und hält auf die Autobahnbrücke zu. Unter der Tangente "hängen" zwei Wege: flussabwärts einer für Fußgänger, flussaufwärts ein Radweg. Die meisten Läufer nehmen den Radweg (und laufen dann eng am Geländer hintereinander). Wieso? Weniger wegen des Blicks auf die Stadt bis hinauf zum Kahlenberg. Auch nicht, weil der Anstieg für die Radler schneckenförmig ist – sondern weil man hier besser in den Prater kommt: Der Fußweg endet auf einem Supermarkt-Parkplatz. Dann muss man über die Autobahnabfahrt (lange Ampelphasen!) und dann über eine unattraktive Zufahrt einer Siedlung in den Prater hinein.

Auf der Radwegseite landet man schnurstracks im Prater. Es geht zwar an einem Schrebergarten-Parkplatz (samt Zufahrt) vorbei, aber das Gelände wirkt weiter und offener.

Dort, wo die Wege sich wieder treffen, ist wieder Prater: Die A23 rauscht durch die Baumwipfel und kreuzt nach etwa 300 Metern die Hauptallee. Zum Stadionparkplatz ist es nicht einmal mehr ein Kilometer. Zum Praterstern keine drei. Und die "üblichen Verdächtigen", die einem auf der Hauptallee täglich begegnen, kann man auch noch grüßen. Welcome home. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 22.5.2013)