Wien - In Wien sollen kulturschaffende MigrantInnen verstärkt gefördert werden: Auf Initiative des grünen Kultursprechers Klaus Werner-Lobo wurde darum das Projekt "kültür gemma!" ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt stehen dabei Arbeitsstipendien, die an ZuwandererInnen vergeben werden. Die ersten vier GewinnerInnen wurden am Dienstag in einer Pressekonferenz präsentiert. Sie erhalten ein Jahr lang 1.000 Euro im Monat. Dafür gab es mehr als 100 BewerberInnen.

Die Initiative wird von der Stadt mit 69.000 Euro gefördert, erklärte Werner-Lobo. 48.000 Euro sind dabei für die Stipendien reserviert. Mit dem Rest soll KünstlerInnen beim Einstieg und bei der Etablierung geholfen bzw. migrantische Kulturarbeit sichtbar gemacht werden. Die Ausschreibung für die Stipendien richtete sich an in Wien lebende ZuwandererInnen bis 35 Jahre. Die BewerberInnen sollten sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen beschäftigten. Das Themenfeld Migration war dabei nicht vorgeschrieben.

Eine sechsköpfige Jury wählte vier Sieger: Selma Doborac wurde in Bosnien-Herzegowina geboren und lebt seit 1993 in Österreich. Sie wird an einem essayistisch-dokumentarischen Filmprojekt über den Krieg arbeiten. Die gebürtige Iranerin Asoo Khanmohammadi kam 2010 nach Wien. Sie will an einer fotografischen Serie arbeiten, die Frauen porträtiert, die in den 1980er-Jahren in der Bundeshauptstadt ermordet wurden.

Umverteilung von Privilegien

Die gebürtige Türkin Seda Tunc will einen Sammelband von Kurzgeschichten ausarbeiten. Der Film- und Medienkünstler Chui Yong Jian aus Singapur widmet sein Projekt dem 200. Jahrestag des Wiener Kongresses, der von 1814 bis 1815 abgehalten wurde. Er plant die Reinszenierung der geschichtsträchtigen Zusammenkunft mit politischen Aktivisten im Rahmen einer Videoinstallation.

Aktuellen Untersuchungen zufolge sind MigrantInnen im kulturellen Feld mit strukturellen und systematischen Benachteiligungen konfrontiert, hieß es heute. Denn im Kunst- und Kulturbereich wie auch in den Förderprogrammen gebe es bestimmte Machtverhältnisse. Diese seien teils sichtbar - indem man etwa die richtige Staatsbürgerschaft brauche -, teils subtil. Letzteres ist dann der Fall, wenn zum Beispiel die richtigen Netzwerke nötig seien.

Zu den Motivationen von "kültür gemma!" gehöre die Umverteilung von Privilegien, wie die Künstlerin und Aktivistin Marissa Lobo - die mit dem grünen Kultursprecher laut eigenen Angaben nicht verwandt oder verheiratet ist - betonte. Sie leitet das Projekt gemeinsam mit der Kulturwissenschaftlerin Catrin Seefranz und der Kunsthistorikerin Galia Baeva. "Wir arbeiten für gerechtere und nicht buntere Verhältnisse in Kunst und Kultur", stellte Seefranz auch klar.

Künstlerische Auseinandersetzung mit Zuwanderungsstadt Wien

Im rot-grünen Regierungsübereinkommen nimmt laut Werner-Lobo die künstlerische Auseinandersetzung mit Wien als Zuwanderungsstadt einen zentralen Stellenwert ein: "In Wien haben mittlerweile 49 Prozent der Menschen Migrationserfahrung", wie Werner-Lobo es nannte. Dieser Umstand müsse sich auch im Kulturleben wiederfinden: "Ich glaube, dass Kultur wahnsinnig viel zum Zusammenleben in der Stadt und zwischen den Bevölkerungsgruppen beitragen kann." (APA, 21.5.2013)