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Jungunternehmern wird es in Österreich nicht gerade leicht gemacht.

Foto: APA/David Ebener

Wien - Peter Lindmoser weiß, dass man als Jungunternehmer einen langen Atem braucht. 1995 gründete er seine erste Firma in der Reinigungsbranche und handelte sich erbitterten Widerstand inklusive Anzeigen der eingesessenen Branchengrößen ein.

Seit vorigem Sommer macht der umtriebige Steirer in Wien, Graz und Parndorf mit seinen Espresso-Mobilen den Kaffeehäusern Konkurrenz. Auf umgebauten Vespas verkauft er Kaffee, Getränke und Kuchen. Auch bei der neuen Geschäftsidee dauerte es nicht lange, bis die erste Anzeige der Wirtschaftskammer eintrudelte. Sein Konzept passte in kein Kammer-Schema. Lindmoser meldete ein Handelsgewerbe an (weil er den Kaffee auch abgepackt verkauft). Für die Wirtschaftskammer ein unzulässiger Schritt, sie beantragte wiederholt Geldstrafen. Ein Jahr lang musste sich der 44-Jährige mit der Innung herumschlagen. Quasi als Friedensangebot meldete er sogar zusätzlich ein Gastgewerbe an (wodurch ein zweites Mal die Kammerumlage anfällt). Jetzt hat der Unabhängige Verwaltungssenat entschieden: Lindmoser hat von Anfang an alles richtig gemacht, das Handelsgewerbe ist vollkommen ausreichend. Die Strafen sind nicht zu bezahlen.

Es ist nur eines von vielen Beispielen, wie sich Gründer mit der Gewerbeordnung plagen. "Mir geht bald der Atem aus", sagt eine Jungunternehmerin, die ein Kuchengeschäft eröffnet hat und besser nicht namentlich genannt werden will. Auch sie schlägt sich mit Anzeigen der Innung herum. Das Handwerk Bäcker ist nämlich eines von mehr als 80 reglementierten Gewerben in Österreich. Sprich: Ohne ausgebildeten Konditor gibt es Probleme.

Bereits hinter sich hat die Hürden Christine Rabanser, die die kleine Wiener Backstube Bröselkeks betreibt. Mangels Konditorausbildung musste sie ihre "individuelle Befähigung" nachweisen - also Zeugnisse einreichen, Praktika nachweisen. Und vor allem: Kostproben der Bäckerinnung vorlegen, die dann eine auf Kekse eingeschränkte Konzession erteilte. Einen Apfelstrudel oder eine Cremeschnitte dürfte Rabanser nicht verkaufen - eben nur Kekse.

Finger, aber keine Zehen

Wenn man Volker Plass von der Grünen Wirtschaft mit derartigen Beispielen konfrontiert, wird er unrund. Er sammelt seit Jahren Kammerabsurditäten und versteht nicht, warum die Gewerbefreiheit in so vielen Bereichen eingeschränkt sein muss. Ein Nageldesigner darf keine Fußnägel lackieren, ein Malermeister keine Rigipswand aufstellen, ein erfahrener Fremdenführer kein Reisebüro eröffnen. Wer in der Schule Schneidern gelernt hat, darf zwar eine Änderungsschneiderei aufmachen, dort aber nicht seine selbst entworfenen Stücke anbieten.

Auch die Liste der Ausnahmen ist lang. Für den Betrieb eines Wirtshauses braucht es zwar einen Gewerbeschein, Akademiker - auch wenn sie etwas ganz anderes studiert haben - bekommen ihn aber automatisch.

Eine Lockerung der Regeln zu erreichen ist mühsam. Davon weiß die Fotografin Lisi Specht zu berichten, die sich im Vorjahr mit anderen für eine Liberalisierung in ihrer Sparte engagierte. Weitgehend ist die Fotografie nun zwar ein freies Gewerbe - eine Einschränkung blieb aber: Wer keine einschlägige Ausbildung hat, darf drei Jahre lang nicht an private Kunden verkaufen. Diese Fotografen dürften also für Weltmarken Fotoshootings machen, nicht aber Hochzeits- oder Passfotos. Dass die Abschottung vor neuer Konkurrenz ein Grund für die Beharrungskräfte ist, räumt auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (VP) ein.

Kritik

Die OECD rechnet regelmäßig vor, dass die vielen Einschränkungen in Österreich 0,4 Prozent an Wachstum und einige Tausend mögliche Arbeitsplätze kosten. Vor allem der Gebietsschutz für Notare oder Apotheker sorgt immer wieder für Kritik.

Auch Michael Böheim vom Wifo sähe noch genug Entrümpelungspotenzial bei der Gewerbeordnung. "Überall, wo es nicht ein gravierendes öffentliches Interesse gibt - Stichwort Qualität, Sicherheit - sollte man liberalisieren." Man könne durchaus mehr auf die "Marktkräfte" vertrauen. "Es werden ohnehin nur Leute, die ein Gewerbe beherrschen, langfristig überleben." Böheim: "Welchen Schaden kann ein Konsument haben, wenn ein Florist (ebenfalls reglementiert, Anm.) das Bouquet schöner oder hässlicher bindet?"

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl sieht die Sache anders. Die Abschottung durch die Innungen gehöre "längst vergangenen Zeiten" an. 90 Prozent der Berufe seien bereits frei, bei den verbliebenen zehn Prozent gebe es "zum Schutz der Konsumenten und zur Qualitätssicherung" Beschränkungen. Man könne die Liste der regelementierten Gewerbe aber natürlich "immer kritisch durchleuchten", so Leitl.

Irgendwie findet sich tatsächlich meist eine "österreichische Lösung", berichten Jungunternehmer: ein bisschen Entgegenkommen hier, ein zugedrücktes Auge da, eine Umgehungskonstruktion dort. Man braucht aber eben einen langen Atem. (Günther Oswald, DER STANDARD, 21.5.2013)