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"Ich entschuldige mich nicht": Präsident Obama steht zu dem JournalistInnen feindlichen Vorgehen, das Lecks in den eigenen Regierungsreihen aufdecken soll.

Foto: AP/Pablo Martinez Monsivais

Die Welt ist ungerecht. Brüllendes Gelächter, wenn Russlands Präsident von einem west-demokratischen Ministerpräsidenten a.D. ein "lupenreiner Demokrat" genannt wird. Es kommen die Tränen, wenn das Umfeld von Barack Obama den US-Präsidenten als Freund der Pressefreiheit hervorhebt. Bei so genanntem Geheimnisverrat kennt auch er kein Pardon. Sind jedoch recherchierende JournalistInnen ratzfatz in einen Topf mit plaudernden Beamten zu werfen?

Grobe Verletzung der Privatsphäre

Mehr als 100 JournalistInnen  der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wurden im vergangenen Jahr im Rahmen eines so genannten Spionageangriffes observiert.  AP  ist eine der größten Nachrichtenagenturen der Welt. Wie die Geschäftsführung bekannt gab, wurden zwei Monate lang Anruflisten ausspioniert und von einem Bundesstaatsanwalt ausgewertet. Auch vor  privaten Telefonanschlüssen machten die Schnüffler nicht Halt. All dies in der Absicht, auf diesem Weg einem beamteten Informanten auf die Schliche zu kommen.

Also hörten sie konsequent mit, wenn JournalistInnen-Kinder mit ihren FreundInnen über Freud und Leid des Lebens palaverten, wenn Ehefrauen, Ehemänner über Seitensprünge anderer diskutierten, wenn Großeltern zwischendurch Hallo sagten und vielleicht über intime, gesundheitliche Probleme sprachen. Ob die Erkenntnisse, die aus diesen Protokollen gezogen wurden, im Kampf gegen Geheimnisverrat  erhellend oder gar Ziel führend waren,  ist bisher unbekannt. Sicherlich waren und sind sie eine grobe Verletzung der Privatsphäre.

Obamas Watergate

Manche sprechen bereits von Obamas Watergate. "Barack Obama: the new Nixon?" zitiert am Freitag der britische "Guardian" das Wunschdenken mancher konservativer US-Politiker. Die "New York Times" spricht von einem Angriff nicht nur auf die Presse auch auf die Demokratie. Andere kichern bereits unverhohlen hämisch über ein lame-duck desaster. Obama sitzt in der Klemme. Beneidenswert ist der US-Präsident nicht.

Ihm fliegen derzeit gleich drei Skandale um die Ohren. Die offenbar einseitigen Steuerüberprüfung politischer Gegner, die offenbar verschleiernde Informationspolitik des Weißen Hauses im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi 2012 und nun der offenbarte JournalistInnen-Abhörskandal.  Auch dieser soll Folgen haben. Welche, das ist noch geheim. Angeblich soll ein früherer Gesetzesentwurf reaktiviert werden, der JournalistInnen besseren Quellenschutz garantiert. 2009 war eine entsprechende Vorlage im Kongress abgelehnt worden.

Sicherheit vor Menschenrechte

Sicherheit geht vor Menschenrechte, dass wissen wir spätestens seit nine/eleven, dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001.  Seit damals ist auch nach wie vor der Patriot Act in Kraft, der Bürgerrechte beschneidet um das Land vor Terrorismus zu bewahren. In dieses Denkschema dürfte auch der aktuelle Abhörskandal fallen.

Präsident Obama steht zu dem JournalistInnen feindlichen Vorgehen, das Lecks in den eigenen Regierungsreihen aufdecken soll. "Ich entschuldige mich nicht". Als Oberbefehlshaber sei er dazu verpflichtet, undichte Stellen, die US-Soldaten, Diplomaten, Geheimdienstagenten in aller Welt in Gefahr bringen könnten, zu schließen.

Es gehe darum, ein Gleichgewicht aus dem Informationsbedürfnis der Bürger und der nationalen Sicherheit zu finden. Auf der Strecke bleiben dabei die JournalistInnen und die BürgerInnen selbst. 1000 Rosen. (Rubina Möhring, derStandard.at, 18.5.2013)