In den Hallen der Google I/O 2013 war Android wiederum zahlreich vertreten, bei der Konferenz selbst gab sich Google bewusst zurückhaltend in dieser Hinsicht.

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Die Google I/O 2013 werde anders als die Veranstaltungen der Vorjahre, hatte Android / Chrome-Chef Sundar Pichai kurz vor Beginn der EntwicklerInnenkonferenz durchklingen lassen. Und damit - zumindest was die konkreten Ankündigungen von Google selbst betrifft - fraglos recht behalten.

Entwicklung

Wo im Vorjahr neue Consumer-Produkte - wie das Nexus 7 - oder neue Android-Versionen im Vordergrund standen, konzentrierte sich der Softwarehersteller dieses Jahr auf andere Schwerpunkte. Und diese zeigt sich schon in der rekordverdächtig langen Eröffnungskeynote: Statt der von vielen erwarteten Vorstellung von Android 4.3 und eines überarbeiteten Nexus 7 wurden vom Start weg Entwicklungsthemen in den Vordergrund gestellt. Dies zeigt sich alleine schon an der chronologischen Anordnung: Die neue Entwicklungsumgebung "Android Studio" zu Beginn, das grundlegende Redesign von Google Maps ganz am Ende.

Viel Google, Wenig Android

Eine durchaus logische Entscheidung, schließlich soll die Google I/O eigentlich ein Event für EntwicklerInnen sein - und nicht den Massenmarkt bedienen. Und doch offenbarte die konkrete Ausformung der Ankündigungen noch darüber hinausgehende, strategische Leitlinien des Unternehmens. Und die signalisieren für die Zukunft: Viel Betonung auf Google-Services selbst, weniger Scheinwerferlicht für Plattformen wie Android oder Chrome.

Google Play Services

Was damit gemeint ist, offenbart sich bei einem genaueren Blick auf die konkreten Neuerungen der I/O 2013. Denn auch wenn es keine Vorstellung von Android 4.3 gab, wurde doch eine signifikantes Update für das mobile Betriebssystem veröffentlicht. Mit den Google Play Services 3.1 setzte es eine neue Version jenes Frameworks, das EntwicklerInnen Zugriff auf eine stetig wachsende Zahl von Google-Services bietet.

Unabhängig

Das Interessante daran: Die Play Services lassen sich unabhängig von großen Firmware-Updates über den Play Store aktualisieren, und sind damit auf allen Geräten ab Android 2.2 in der gleichen Version zu finden. Dies hat zur Folge, dass Android-EntwicklerInnen alle hier neu aufgenommen Programmierschnittstellen (APIs) praktisch umgehend nutzen können - im Wissen, dass sich die entsprechenden Funktionen auf praktisch allen derzeit aktuellen Geräten nutzen lassen.

Viel Neues

Kein Wunder also, dass Google aktuell versucht, immer mehr Funktionen in die Play Services zu packen. In der Version 3.1 sind zahlreiche neue APIs hinzugekommen, daruner welche für ortsabhängige Services oder eines um Benachrichtigungen per Google Cloud Messaging zwischen mehreren Geräten zu synchronisieren. Über die Play Services kann Google den schleppenden Firmware-Aktualisierungen der Hersteller also zumindest bei den eigenen Services ein kleines Schnippchen schlagen.

Chrome Webview

Angesichts der unübersehbaren Vorteile eines solchen Ansatzes ist davon auszugehen, dass Google in Zukunft versuchen wird, immer weitere Teile aus dem Basissystem von Android herauszulösen. Klarerweise geht dies nicht mit allem, aber bei den "High-Level"-Bestandteilen gibt es noch einige, die sich aufdrängen würde. Einer davon ist das Android Webview, das von Dritt-Apps zur Einbindung von Webinhalten genutzt wird. Dieses wird aktuell als "Chrome Webview" auf neuer Basis reimplementiert, und könnte dann auch über den Play Store auf dem laufenden Stand gehalten werden, dies deuten zumindest die Chrome-EntwicklerInnen im Rahmen einer Q&A-Session auf der I/O 2013 an. Endgültig Festlegen wollte man sich zwar nicht, heißt es dazu auf Frage aus dem Publikum, "aber natürlich sei das eine faszinierende Perspektive".

Plattformunabhängigkeit

Doch noch einmal zurück: Eine zweite große Leitlinie der Google-Strategie verdeutlicht sich - einmal mehr - an der Aufnahme neuer, spielerelevanter APIs in die Play Services. Beschränken sich diese doch keineswegs auf Android sondern stehen vom Start weg auch iOS- und Web-Apps fur Verfügung. Ebenso um Plattformunabhängigkeit bemüht ist die neue Messaging Lösung Google Hangout: Neben Android und Gmail-Versionen ist auch hier umgehend eine iOS-Ausführung verfügbar.

Missverständnis

Wer an dieser Stelle fragt, warum sich Google jetzt schon wieder mit der Unterstützung fremder Plattformen wie iOS herumschlägt, anstatt das eigene Android zu bevorzugen - wie es in Kommentaren schon gerne mal zu hören ist - missversteht die Philosophie des Softwareherstellers grundlegend. Android, und Chrome (OS) sind nicht das eigentliche Ziel, sie sind ein Vehikel, um den Markt - und die Google-Services - voranzutreiben. Klar wäre es dem Softwarehersteller "lieber", wenn die eigenen Betriebssysteme noch stärker verbreitet wären, immerhin kann man bei diesen die eigenen Vorstellungen am besten umsetzen. Wesentlich wichtiger ist aber die möglichst breite Nutzung der Google-Angebote, und solange iOS hier eine relevante Rolle spielt, wird man dieses auch unterstützen. Und zwar auf dem bestmöglichen Weg, und nicht mit halbherzigen Apps, immerhin will man die Leute ja dauerhaft für die Nutzung der Google-Services begeistern.

Browser

Für den klassischen Desktop-Bereich hat Google hingegen eine etwas andere Strategie, und die lautet: Der Browser ist die Softwareplattform der Zukunft, die klassische Betriebssysteme zum Implementationsdetail degradieren sollen. Denn ob eine Web-App unter Windows, Linux, OS X oder Chrome OS läuft, ist vollkommen nebensächlich, da es keinerlei Auswirkung auf die Funktionalität hat.

Packaged Apps

Eine Vision, die Google derzeit mit gehörigem Nachdruck verfolgt und zwar in Form der "Chrome Packaged Apps". Diese sind zwar mit Web-Technologien erstellt, verhalten sich sonst aber weitgehend wie lokale Anwendungen, funktionieren also beispielsweise problemlos auch ohne Netzverbindung.

Gemeinsam

Selbst wenn diese Rechnung aufginge, bliebe damit natürlich noch immer der Umstand, dass Google zwei unterschiedliche Betriebssysteme - Android und Chrome OS - mit vollständig getrennten App-Ökosystemen betreibt. Das stimmt zwar derzeit - und wird sich zumindest kurzfristig auch nicht ändern - aktuelle Entwicklungen weisen aber bereits über diese Situation hinaus. So hat Chrome-Entwickler Eric Kay im Rahmen eines Vortrags auf der I/O bereits eine funktionstüchtige "Chrome Packaged App" unter Android demonstriert.

Alternativen

Dies bedeutet, dass sich hier potentiell eine eine zweite App-Plattform für Android auftut. Nicht in der nahen Zukunft, aber mittel- bis langfristig könnte es dann möglich sein, Apps zu schreiben, die von Windows bis Android laufen - mit minmalen Anpassungen. Zudem wären solche Android-Chrome-Apps auch nicht von der leidigen "Update-Problematik" geplagt. Also zumindest falls Google - wie weiter oben angeschnitten - tatsächlich das Chrome Webview laufend über den Playstore aktualisiert. Um das klarzustellen: All dies heißt natürlich nicht, dass Google in absehbarer Zeit vorhat,  klassische Android-Apps zu verdrängen. Für so manche EntwicklerInnen könnte eine solche Alternative aber trotzdem verlockend sein.

Google Plattform

Bis solch ein Schritt mal wirklich spruchreif ist, wird Google jedenfalls schon mal  konsequent daran arbeiten, die einzelnen Plattformen weiter an einander heranzuführen. Nicht über eine Zusammenlegung des Codes, sondern eben über gemeinsame Services. Mit Google+ Signin - bei dem nach einem Login im Browser die Installation der Android-App angeboten wird - hat man da erst unlängst signifikante Schritte gesetzt, mit nun vorgestellten Angeboten wie dem Play Games-Services setzt man die Entwicklung der betriebssystemübergreifenden "Google-Plattform" konsequent fort. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 17.05.13)