Wien - Über die kulturelle Versorgung von Mitbürgern, die einen Migrationshintergrund besitzen, dachte man hierzulande lieber spät als nie nach. Dabei gibt es kein anderes Feld, in dem mehr für die " Vermischung" der Kulturen geleistet würde.

Kunstwerke, die heute einige Geltung für sich beanspruchen, müssen auf das Ideal der organischen Durchbildung von vornherein verzichten. Kunst, die sich so viel auf ihre Originalität zugutehält, ist im Wesentlichen Datenklau. Moderne kulturelle Artikulationen entstehen im bunten Durcheinander aus Diebstahl, Missverständnissen, Anverwandlungen und Aneignungen. Zugleich pflegen die öffentlichen Kultureinrichtungen von sich ein Bild der Gönnerhaftigkeit.

Ob es um "migrantisches Theater" geht oder um "postmigrantisches", stets hinken die Institutionen der Entwicklung hinterher. Längst sind die Metropolen Schauplätze gigantischer Umschmelzungsprozesse. In den wechselnden Genres erlebt man eine komplexe Durchmischung von Herkunftserzählungen und Codes. Zugleich wollen Künstler mit " Migrationshintergrund" nicht immer nur auf ihre Herkunft festgelegt sein. Modelle kultureller Einbeziehung sind daher auf lokaler Ebene am sinnvollsten zu verwirklichen.

Die ermutigendsten Beispiele für kulturelle Beteiligungsformen wurden in Großbritannien gesammelt - Mark Terkessidis hat in seiner Streitschrift Interkultur (2010) darauf hingewiesen. Über Tanzworkshops wurde das " freiwillige Mitmachen" in London zur Praxisform, die nicht notwendigerweise schlechte oder minderwertige Kunst hervorbrachte. Tamara McLorg (Community Dance): "Wenn wir mit den Leuten aus der Nachbarschaft arbeiten, dann müssen wir von ihnen das Beste verlangen, nicht das Zweitbeste."

Was nicht heißt, dass die Berührung mit Hochkultur nicht auch heilsame Wirkungen zeitigt.  (Ronald Pohl, DER STANDARD, 18./19./20.5.2013)