Ich glaube nicht an den sogenannten Identitätskonflikt der zweiten Generation. Diese Diagnose, die unter anderem als Erklärung für mangelnden schulischen und beruflichen Erfolg oder gar als Integrationshindernis herhalten muss, ist seit Jahrzehnten ein fester Bestand der Fremdwahrnehmung der Migrantenkinder. Das angebliche Zerrissensein zwschen zwei Kulturen wird vor allem in der linken, aufgeklärten Ecke als evident angenommen.

Genauso wie die reale Diskriminierung und Benachteiligung wirkt sich die Kulturalisierung und Exotisierung oder eben positive Diskriminierung auf das Selbstbild der Jugendlichen aus. Beide Sichtweisen signalisieren: Du bist anders, du gehörst nicht dazu.

Dabei ist die Ursache für das Gefühl des Nichtdazugehörens nicht das vermeintliche kulturbedingte Fremdsein, sondern die ungleichen sozioökonomischen Startbedingungen und ein Bildungssystem, das sich viel zu spät und viel zu langsam auf eine Generation einstellt, die nicht in das Muster "entweder/oder" passt. Exotisiert und kulturisiert man sie, kontern sie mit Selbstexotisierung.

Ethnisches Etikett

Das beste Beispiel für den Schaden, den das ethnische Etikett anrichtet, ist die Art und Weise, wie das Wiener Stadtmagazin Biber der Mehrheitsgesellschaft Kontra gibt: ein wenig Provokation, gewürzt mit (selbst)ironischen, angeblich tabubrechenden und jegliches Klischee karikierenden Witzchen.

Dieses Spiel mit den Klischees und ihre Überzeichnung dienen der bewussten Betonung des Andersseins. Gleichzeitig bewirkt diese aber, dass die Jugendlichen und ihre Anliegen von der Mehrheitsgesellschaft nicht ernst genommen werden. Statt der gewollten und gewünschten Selbstermächtigung werden Vorurteile reproduziert und einbetoniert. Dass die kulturellen Eigenheiten lediglich ein weiteres Mosaiksteinchen in der Multiidentität der multisprachigen und multikulturell geprägten Migrantenkinder sind, geht unter.

Die Selbstexotisierung, und sei sie auch als Satire verpackt, ist eine Falle: Vom fremdbestimmten wird man lediglich zum selbstbestimmten Außenseiter. (Olivera Stajić, DER STANDARD, 18.5.2013)