Christoph Chorherr und Rudolf Schicker 2002: "Schicker hat offenbar noch immer nicht verwunden, dass er nicht mehr Planungsstadtrat ist", sagt der Grüne über den Roten.

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Wien – Bisher, so Christoph Chorherr, habe man die Aussagen des roten Klubchefs Rudolf Schicker biblisch hingenommen. "Es heißt ja, wenn man auf eine Wange geschlagen wird, soll man auch die andere hinhalten."  Irgendwann reiche es aber selbst den Grünen, sagt der Langzeit-Gemeinderat. "Nachdem Schicker nun zum wiederholten Male mit unqualifizierter und falscher Kritik an der ­Vizebürgermeisterin auffällt, ist der Punkt erreicht, an dem man ihm klarmachen muss: So geht es nicht."

Hintergrund des grünen Rüffels: Schicker hatte im Standard erklärt, dass Stadträtin Maria Vassilakou bei der Widmung von Bauflächen zu lange über Details verhandle. "Über Glashäuser auf dem Dach muss man noch nicht bei der Widmung sprechen." Stattdessen solle die Planungsstadträtin, so der ehemalige Planungsstadtrat, dafür sorgen, dass zügig neue Bauflächen entstehen. "Sonst haben wir in ein paar Jahren ein Pro­blem."

Mit dem kleinen Koalitionspartner hat Schicker schon jetzt eines. "Der ehemalige Planungsstadtrat hat offenbar immer noch nicht verwunden, dass er nicht mehr Planungsstadtrat ist – und versucht nun ständig, das Koalitionsklima zu vergiften", sagt Chorherr. Dabei sei die Stimmung sonst sehr gut. Schicker tanze als Einziger ständig aus der rot-grünen Reihe: "Er tut alles, um die Arbeit seiner Nachfolgerin zu behindern."

Dabei sei Vassilakou zu einem nicht geringen Maß damit beschäftigt, Fehler aus der Schicker-Ära zu reparieren. "Und es ist zum Teil sehr mühsam, da den Karren aus dem Dreck zu ziehen."  Als Beispiel nennt Chorherr das Otto-Wagner-Spital. "Trotz Widmung mussten wir dort wieder ganz von vorn anfangen – weil sich Schicker nicht um die Dinge gekümmert hat."  Nach massiven Anrainerprotesten mit Unterstützung der Krone wurde die geplante Bebauung des alten Spitalsgeländes gestoppt.

Rote Einsprüche

Auch bei anderen Projekten wäre man weiter, wenn sich Schicker vor der Wien-Wahl 2010 nicht vor seiner Verantwortung ge­drückt hätte, sagt Chorherr. "Im Gegensatz zu ihm treiben wir auch in einem Nationalrats-Wahljahr Dinge voran, die vielleicht nicht so populär sind."

Anstatt ständig die Arbeit seiner Nachfolgerin zu sabotieren, solle er sich lieber um die eigene Partei kümmern, sagt Chorherr, "denn ich weise drauf hin, dass fix und fertige Bebauungspläne nicht selten an den Einsprüchen roter Bezirke scheitern" . Als Klubchef sollte Schicker zwischen der Zentrale im Rathaus und den Bezirken vermitteln, so Chorherr. "Das würde vieles leichter machen."

Der Konflikt zwischen SP und Grünen beim Wohnthema schwelt schon länger. Erst hatte Vassilakou mit der Forderung von Miet-Obergrenzen im Revier des roten Wohnbaustadtrats Michael Ludwig gewildert.

Als dann die Debatte um leistbares Wohnen auf die Bundes­ebene überschwappte, preschten Chorherr und Klubchef David Ellensohn mit einem Konzept vor, das die bisherige Wiener Wohnbaupraxis völlig auf den Kopf stellen würde: Statt wie bisher Flächen an Baurechtsträger zu verkaufen, sollte die Stadt künftig nur noch Baurechtsverträge abschließen – und so die Bereitstellung genügend geförderter Wohnungen sichern. Ein Vorschlag, den nicht nur der streitbare Klubchef, sondern auch die rote Parteispitze ablehnt. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely sah angesichts dro­henden Einnahmeentgangs beim Grundstücksverkauf sogar das größte rot-grüne Projekt, die Spitalsreform, in Gefahr.

Umgekehrt nehmen die Grünen Schicker vor allem den Vorwurf krumm, man halte sich bei der Flächenwidmung zu sehr mit Details auf. Schließlich sehen sie in Freiraumplanung und Bürgerbeteiligung zentrale Agenden: "Das sind Dinge, für die wir gewählt wurden, und davon rücken wir auch nicht ab", sagt Chorherr.(Martina Stemmer, DER STANDARD, 18.5.2013)