Links und rechts vom Käfig braust der Gürtel vorbei. "Das schaltest du alles ab", sagt Stjepan.

Foto: Christian Fischer

Wien - Stjepan beginnt das Spiel mit einem Drei-Punkte-Wurf, der die Stimmung in der Halle ordentlich anheizt. Er ist der Dreh- und Angelpunkt seines Teams, des BC Zepter Vienna, das erkennt auch der Basketball-Laie. Im Finale der österreichischen Meisterschaft geht es gegen die Redwell Gunners Oberwart, erstmals seit 20 Jahren spielt ein Wiener Team um den Titel. Das wäre kaum denkbar ohne Stjepan Stazic, den Sohn eines Kroaten und einer Serbin, die der Jugoslawien-Krieg 1991 nach Wien brachte.

Formierung einer Jugendkultur

"Jugos, Filipinos, Diplomatenkinder" - so beschreibt Stjepan die Mischung jener, die sich damals zum Streetball trafen, Österreicher seien später dazugekommen. Über ihre Herkunft haben die Basketballbegeisterten nicht geredet, dafür über die NBA. Eine ganze Jugendkultur habe sich geformt, sagt Stjepan: "Wenn du einen tragbaren CD-Player hattest, warst du der Coolste. Wir haben Hip-Hop gehört und uns Schuhe aus Amerika mitbringen lassen. Basketball hat uns zu einer Gruppe gemacht."

Die Burschen schwänzten den Nachmittagsunterricht, um im Käfig zu sein, bevor der große Ansturm losging. "Es war eine wunderbare, sorglose Zeit. Wir haben uns angestrengt, weil wir einfach spielen wollten - wer verlor, musste vom Platz", erinnert sich Stjepan und lächelt hinter seinen Ray-Bans. Am Spielfeldrand standen die Mädels, das hat den Ehrgeiz der Burschen angestachelt.

Rote Basketballfans

Im Käfig fühlt sich Stjepan nach vielen Jahren als Profi im Ausland immer noch zu Hause. Mittlerweile sind die mehreren Hundert über ganz Wien verstreuten Sportplätze viel mehr als nur ein Ort, an dem Basketball, Fußball oder Volleyball gespielt wird. Fast schon symbolisch stehen sie für das Zusammenleben verschiedener Kulturen, das hat auch die Stadt erkannt - und forciert das Spielen im Käfig mit Turnieren und einer Liga.

Vor allem die SP setzt auf die Sportschiene; Gemeinderat Peko Baxant ist Präsident des Wiener Basketballverbandes, auch der rote Jugendkoordinator, Bürgermeistersohn Bernhard Häupl, ist des Öfteren am Spielfeldrand anzutreffen.

"Zigarette oder Korb"

Für Stjepan, der neben seiner Profikarriere ein Philosophiestudium abgeschlossen hat, geht es beim Sport um Energieabbau - Energie, die man sonst auf Kriminelles verwenden könnte, oder um "Blödsinn" zu machen: "Irgendwann hast du die Wahl: Zigarette oder Korb." Mit seinen 35 Jahren ist Stjepan fast schon im Profirentneralter, mit fast missionarischem Eifer versucht er nun mit seinem Bruder Petar, dem Manager des BC Vienna, Basketball in Wien groß zu machen.

Es ist kein Zufall, dass die Namen vieler Spieler balkanesk klingen: Als die "Jugos", wie Stjepan sie nennt, in den 1990ern nach Wien kamen, war der Sport in ihrer Heimat ganz groß, die jungen Männer auch. Stjepan misst ganze 198 Zentimeter, der österreichische Hero in der Mannschaft, Benedikt Danek, nimmt sich mit seinen 1,75 Metern dagegen wie ein Basketball-Zwerg aus.

Die meisten Spieler mit jugoslawischen Wurzeln wurden längst eingebürgert oder gar hier geboren, dennoch höre man manchmal aus der Szene, die Kinder sollten lieber "nicht zu den Jugos spielen gehen", berichtet Stjepan. Mit dem Erfolg des BC Vienna ändere sich das freilich zusehends.

Wiener Basketballwunder

Dass die Autos vierspurig beim Käfig am Gürtel vorbeibrausen, stört Stjepan beim Spielen nicht: "Das schaltest du alles ab. Wenn es am Abend dunkel wird, kannst du dich voll auf das Spiel konzentrieren und siehst rundherum nur die Lichter der Stadt."

Auch beim Finalspiel in der Stadthalle hat Stjepan die Ruhe weg, selbst wenn mal ein Ball daneben geht. Danach plaudert er mit Fans, gibt Interviews, als alle anderen das Spielfeld längst verlassen haben. Der BC Vienna gewinnt mit 75:66, der erste Punkt in der Best-of-Five-Finalserie ist gemacht. Das Wiener Basketballwunder, es ist zum Greifen nahe. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 18/19./20.5.2013)