Auf Fahrräder spezialisierte Shops schießen wie Schwammerln aus dem Boden - Thomas Rottenberg pickte sich fünf Geschäfte heraus und ließ sich erklären, was an ihnen besonders ist

Stadtradler, Wien
Mikko Stout, Besitzer

Ich habe mein Geschäft im März 2013 eröffnet. Ich selbst bin Niederländer - da liegt es nahe, dass ich mich auf Hollandräder spezialisiert habe. Das Hollandrad ist ein Stadtrad, auf dem ich angenehm und aufrecht sitzen kann. Das heißt, ich sehe selbst gut - und bin auch für die Autofahrer gut sichtbar. Auf dem Hollandrad kann ich auch gut angezogen unterwegs sein - ohne dass meine Kleidung leidet oder sofort zerknittert ist.

Hollandräder sind für den Alltag gemacht: Wichtig ist, dass man auch Dinge transportieren kann - das ist ein ganz anderes Anforderungsprofil als bei Sporträdern.

Es ist wichtig, dass man eine Beziehung zum eigenen Rad hat - wenn es nur praktisch ist, ist das zu wenig. Da fährt man dann nicht gerne.

Der größte Fehler beim Fahrradkauf ist der Verzicht auf Beratung oder Probefahrten. Wer viel Geld ausgibt, sollte auch ein gutes Schloss kaufen. Gerade dann, wenn man ein Hollandrad kauft. Die sind nämlich schwer. Und ein Fahrrad in Wien über Treppen in den Keller oder die Wohnung zu schleppen, ist echt mühsam. Hollandräder sind Straßenräder - sie sind so gebaut, dass man sie bei jedem Wetter über Jahre hinweg draußen stehen lassen kann.

Ich hab eine Zeitlang zwei richtig schwere Motorradabsperrketten gehabt: eine vor dem Haus daheim, eine vor dem Büro, in dem ich früher gearbeitet habe. Die zu knacken war den Dieben zu mühsam - und ich habe nur die Schlüssel mitnehmen müssen.

Stadtradler
Verkauf: Eingang Karlsgasse 16
1040 Wien

Foto: Hersteller

Bernhard Kohl, Wien
ehemaliger Profiradrennfahrer, nun Händler

"Das gute Rad" gibt es in der Form nicht - jedenfalls nicht als Patentrezept: Das gute Rad ist immer das, was den jeweiligen Bedürfnissen und Wünschen perfekt entspricht. Und das gilt nicht nur beim Rennrad, sondern auch bei jedem anderen Fahrrad: Es muss passen - und da rede ich nicht nur von den Maßen und Größen, sondern auch von dem, was den Vorstellungen entspricht. Dafür muss man sich Zeit nehmen, sowohl als Händler als auch als Kunde.

Diese Philosophie lebe ich jetzt seit drei Jahren in meinem Geschäft. Und das kommt auch gut an: Wir haben mittlerweile mehr als 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche - und bieten alle Arten von Fahrrädern an. Also Renn- und Mountainbikes genauso wie Stadträder. Und E-Bikes - dieses Segment wird immer wichtiger.

Ob ich selbst noch mit dem Rennrad fahre? Ja. Und gerne auch in der Gruppe - jeden Dienstag um 17 Uhr treffen sich Kunden, Freunde und Interessierte vor unserem Geschäft - und dann heißt es "Radfahren mit Bernhard Kohl".

Meine Geschichte ist kein Geheimnis. Und ich gehe damit auch ganz offen um: Im Geschäft gibt es eine ganze Wand, an der meine Karriere dokumentiert ist - und zwar lückenlos. Wenn jemand mit mir über Doping reden will, rede ich auch offen darüber. Ich stehe zu dem, was geschehen ist - und beschönige nichts. Ganz im Gegenteil: Ich bin heilfroh, dass das vorbei ist, dass ich nicht mehr lügen muss - und dass ich erzählen kann, wie es wirklich war.

Bernhard Kohl
Triester Straße 282-284
1230 Wien

Foto: Hersteller

B7 Fahrradzentrum, Linz
Christian Leutgeb, Leiter Verkauf & Produktion

Das B7 ist ein sozialökonomischer Betrieb. Bei uns arbeiten wir vor allem mit Menschen, denen wir innerhalb eines Jahres helfen wollen, wieder am regulären Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Derzeit arbeiten hier 21 Leute - 14 davon sind Transitarbeitskräfte.

Angefangen hat das B7 als Selbsthilfewerkstatt für Studierende und sozial Schwache - aber mittlerweile sind wir nach außen hin ein ganz normales Fahrradfachgeschäft mit Fahrradwerkstatt. Bei uns gibt es alte und neue Räder aller Art und Zubehör. Unsere Werkstatt hat in Linz einen sehr guten Ruf. Hier arbeiten echte Fachleute - manche bringen bis zu 30 Jahre einschlägiger Berufserfahrung mit. Wir haben alles: Fahrradmechaniker, aber auch Sportartikelmonteure.

Was auffällt, ist, dass unsere Mitarbeiter in den letzten Jahren verstärkt im Fahrradumfeld Arbeit finden. Das liegt natürlich auch daran, dass Radfahren auch in Linz immer mehr zum Thema wird. Linz hat zwar in puncto Infrastruktur enormen Nachholbedarf, aber man merkt, dass die Leute stärker aufs Rad zurückgreifen: Das Auto wird im städtischen Bereich immer mehr als Luxus oder sogar als Ballast empfunden. Etwas, was in der Stadt keiner braucht. Das Besondere an unserem Betrieb ist vielleicht auch die Lage: Wir sind in einem ehemaligen Kloster untergebracht. Das liegt sicher auch daran, dass es über den sozialen Auftrag einen starken Bezug zur Kirche gibt: Unser Vorstandsvorsitzender ist ja auch der Chef der Caritas.

B7 Fahrradzentrum
Kapuzinerstraße 38
4020 Linz

Foto: Hersteller

Bike Revolution, Gänserndorf
Thomas Seide, Inhaber

Bike Revolution gibt es seit März 2003 - wir sind auf Liegeräder spezialisiert. Ich selbst fahre seit 1989 Liegeräder, denn das Liegerad ist das beste Radkonzept, das es gibt - sowohl sicherheitstechnisch als auch ergonomisch: Auf dem Liegerad kann man problemlos bis ins höchste Alter Rad fahren.

Wir stellen hier High-End-Räder her. Und die verkaufen wir in ganz Europa. Aus Österreich kommen aber die wenigsten Kunden. Das ist eh typisch - und liegt nicht nur daran, dass Österreich eben ein kleines Land ist. Der wichtigste Markt ist Deutschland. Dann kommt lange nix - und dann folgen Holland und Frankreich.

Deswegen stört es auch nicht, dass wir in Gänserndorf daheim sind. Meine Räder werden hier hergestellt - und es gibt sie nur bei mir. Wenn Sie einmal Liegerad gefahren sind, fahren Sie nie wieder was anderes. Dann habe ich gewonnen. Liegeradfahren ist auch sicherer als ein klassisches Rad: Die Autofahrer glauben, dass es unsicher ist, und halten gleich doppelten Abstand im Kolonnenverkehr. Ich weiß, es klingt provokant, aber es stimmt: Wenn ein Radfahrer gefährlich aussieht, lebt er länger: Weil er nicht übersehen wird.

Ich fahre jetzt 25 Jahre unfallfrei Liegerad - und wurde noch nie übersehen. Beim normalen Rad liegt der Schwerpunkt viel zu hoch. Radfahrer sterben ja nicht, weil sie überfahren werden, sondern weil sie übersehen werden - und entweder abgeschossen werden oder bei einer Notbremsung nach vorn fliegen.

Bike Revolution
Sandgrubenweg 13
2230 Gänserndorf

Foto: Hersteller

Radsport Schlewitz, Schärding
Martin Schlewitz, Eigentümer

Mein Großvater begann 1931 das Geschäft mit Nähmaschinen und Waffenrädern. Die Nähmaschinen gibt es heute nicht mehr - und Waffenräder gibt es im Grunde auch nicht mehr. Klar, es gibt Nachbauten, aber die sind was anderes. Das sind eher Hollandräder.

Bei uns werden heute vor allem Mountainbikes nachgefragt. Das ist so seit dem Radboom der 1980er-Jahre - seither wird das mehr und mehr. Jetzt kommen in unserer Region auch die E-Bikes dazu. Nicht nur bei den älteren Leuten, auch bei denen unter 55. Denn die Region hier ist hügelig. Wer da mit dem Rad unterwegs sein will, freut sich schon, wenn er Unterstützung hat. Eine wichtige E-Bike-Zielgruppe sind bei uns in letzter Zeit vor allem Damen. Viele haben sehr sportliche Gatten - aber sie wollen nicht daheim warten, bis die von ihren Ausfahrten zurückkommen. Mit dem E-Bike fahren sie ihren Männern davon. Die haben gegen E-Bikes keine Chance. Sie freuen sich dann, wenn sie im Windschatten ihrer Frauen fahren dürfen - aber ob sie das auch zugeben würden, weiß ich nicht.

Das E-Bike ist für viele Durchschnittsradler ein Segen. Sie müssten sonst mit dem Auto zur Arbeit fahren - oder kämen total verschwitzt an. Das geht nicht nur Älteren oder weniger Trainierten so: Auch viele sportliche Fahrer fahren tagsüber mit E-Bikes. Auch aus praktischen Gründen: Benzin wird teuer - und Parkplätze sind rar. Darum ist das jetzt schon ein großes Thema - aber das wird noch ein viel größeres Ding.

Radsport Schlewitz
Ludwig Pflieglgasse 25
4780 Schärding

(Thomas Rottenberg, Rondo, DER STANDARD, 17.5.2013)

Foto: Hersteller