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Dominik Neubauer (links) war nach Ablauf der Lösegeldfrist der Geiselnehmer mit einer Scheinhinrichtung konfrontiert.

Foto: APA/AFP/Str

Wien/Sanaa - Auch nach der Freilassung des Österreichers Dominik Neubauer sowie der beiden mit ihm im Jemen entführten Finnen, herrscht weiter Rätselraten über die Hintergrunde der Geiselnahme. War die Entführung mitten im als sicher geltenden Zentrum der Hauptstadt Sanaa geplant? Handelte es sich bei den Geiselnehmern um lokale Stämme oder wie vom Jemen behauptet um Al-Kaida-Mitglieder? Und wurde Lösegeld gezahlt? Einige Antworten gab Neubauer im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "News".

Etwa, dass er glaubt, am 21. Dezember 2012 nur zufällig Opfer von Entführern geworden zu sein. Bewaffnete Männer seien plötzlich in das Elektronikgeschäft gestürmt, in dem sie sich aufhielten und hätten sie mit Kalaschnikows bewaffnet in ein parkendes Auto gedrängt. Dieses sei für eine Entführung jedoch viel zu klein gewesen, sodass einer der Geiselnehmer während der Flucht auf seinem Schoß sitzen habe müssen. Auch hätten die Kidnapper anfänglich nichts zur Hand gehabt, um ihnen die Augen zu verbinden, daher habe er auch die ersten 20 Fahrtminuten gut mitverfolgen können, sagt Neubauer.

Indizien deuten auf Al-Kaida hin

Die Entführer hätten augenblicklich "hektisch in arabischem Dialekt zu telefonieren" begonnen. "Ich verstand nur, dass sie fieberhaft nach einer Unterkunft für uns suchten," erklärte der 26-Jährige. Nachdem sie die erste Nacht gefesselt und mit Sprechverbot belegt in einem Haus verbracht hätten, seien sie am zweiten Tag acht Stunden auf asphaltierten Straßen gefahren und dann in die Wüste abgebogen. "Dazwischen wurde telefoniert, Zahlen genannt, Dinge besprochen. Mir wurde klar: Die Typen wollen uns verkaufen," erzählt Neubauer.

Ob sie tatsächlich an die Al-Kaida verkauft wurden, wie es auch aus jemenitischen Regierungskreisen immer wieder hieß, kann Neubauer, der angibt zuletzt für den Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) gearbeitet zu haben, nicht beurteilen. Vieles deute jedoch darauf hin, dass sie tatsächlich an Islamisten geraten seien, sagt er.

Zur Konvertierung gezwungen

Durch eine Scheinhinrichtung mitten in der Wüste, habe man ihn etwa gezwungen zum Islam zu konvertieren, berichtet der 26-Jährige. Man habe ihm befohlen auszusteigen und sich neben dem Auto hinzuknien: "Ich höre, wie eine Waffe durchgeladen wird und spüre ihren Lauf am Hinterkopf. Und dann, als ich mit allem abgeschlossen hatte, fragt mich jemand auf Englisch, ob ich zum Islam übertreten möchte."

Dies sei in der Nacht von 3. auf 4. März passiert, als die siebentägige Frist, die er im Auftrag der Geiselnehmer in einem am 21. Februar im Internet aufgetauchten Video den Regierungen im Jemen und im Österreich sowie der EU stellt, bereits mehrere Tage abgelaufen war.

Die Entführer hätten nur mit ihm und nicht mit den beiden Finnen solch ein Video gedreht, berichtet Neubauer. Auch hätten sie ihm lediglich aufgetragen, zu sage, er werde von einem Stamm gefangen gehalten, der Geld fordere und ihn nach Ende der Frist exekutieren werde. "Sie sagten weder, wie viel Geld sie wollten, noch an wen ich die Botschaft richten soll." Er selbst habe entschieden sich an die staatlichen Stellen zu wenden und das Video auf Englisch und Deutsch aufzunehmen.

Sprechverbot und dreckiges Wasser

Folter im engeren Sinne sei er keiner ausgesetzt gewesen. Allerdings hätte er vier Monate lang angekettet auf dünnen Schaumstoffmatratzen am Boden eines Lehmhauses verbracht: "Es krochen immer wieder Skorpione, Spinnen und auch Schlangen in den Raum." Zu trinken habe es schmutziges Wasser gegeben, zum Essen "nicht viel mehr außer Reis", sagt Neubauer. Er habe sich übergeben müssen, Kopfweh und Durchfall und Angst davor gehabt, an Malaria erkrankt zu sein. Dazu sei das Sprechverbot gekommen. Da stelle sich die Frage, "wo beginnt Folter, und wo endet die ganz normale Qual"?

Seine Freilassung sei dann "völlig unerwartet" erfolgt, nachdem er bereits im März von den Finnen getrennt worden sei, sagt der ehemalige Politikwissenschaftsstudent. Die Übergabe sei an einem Grenzgebäude an der jemenitisch-omanischen Grenze erfolgt. Er habe bis zum Schluss an "einen weiteren Trick" geglaubt und erst im Militärhubschrauber auf dem Weg nach Maskat geahnt, "dass mein Albtraum endlich vorbei sein könnte".

Derzeit keine Kostenforderung von Außenministerium

Ob und von wem Lösegeld gezahlt wurde, wisse er nicht, erklärt der 26-Jährige. Der Risiken seiner Reise sei er sich bewusst gewesen. Auch aufgrund seiner beruflichen Vorkenntnisse, hab er sich über die Sicherheitslage gut informiert gefühlt. "In den Gegenden von Sanaa, in denen ich mich bewegte, gab es in den vergangenen zehn Jahren keine einzige Entführung, und mir erschien der Aufenthalt im Jemen für meine weitere Karriere wichtig", rechtfertigt Neubauer seinen Aufenthalt.

Neubauer gibt an, das Außenministerium habe noch keine finanzielle Forderung wegen der Kosten seiner Befreiung gestellt. Zum Zeitpunkt seiner Entführung sei er sich keiner Reisewarnung für den Jemen bewusst gewesen, sagte der 26-Jährige. Für das Krisenland gilt seit längerem eine Reisewarnung. Allen im Land befindlichen Österreichern wird zur Ausreise geraten. (APA, 16.5.2013)