Gemälde von Kate Kretz: Blessed Art Though (2006).
Das Bild wurde 2011 in der Ausstellung "Beyond Re/Production. Mothering" im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien in Berlin ausgestellt.

Foto: Freudenschuss

Die Nachricht, dass sich Angelina Jolie beide Brüste amputieren ließ, um ihr sehr hohes Brustkrebsrisiko zu minimieren, schlug ein wie eine Bombe. Und das ist wirklich keine Übertreibung.

In sämtlichen westlichen Medien um den Globus fand sich die Nachricht am prominenter Stelle, in Blogs wurde der Schritt hundertfach kommentiert, auf Facebook und Twitter sowieso. Alle wollten darüber sprechen und sich eine Meinung darüber bilden.

Die Gründe dafür sind in diesem Fall leicht zu finden:  Berühmtheit multipliziert mit "Brüsten" addiert mit dem Drang zur Befriedigung des eigenen Voyeurismus, an so etwas Intimen, Gewalttätigen teilzuhaben.

Diskussionen, die daran anknüpfen

Gleichzeitig macht die Geschichte eines Superstars, der sich seine Brüste amputieren lässt, auch ganz viele gesellschaftliche Themenfelder auf. Jolies Brust-Amputation berührt die Konstruktion von Sexsymbolen in unserer Zeit, aber auch die Frage, was es heißt, eine gute Mutter zu sein. Sie handelt davon, welche Rolle Gentests und Risikoabschätzungen auf den Umgang mit unserem eigenen Körper haben (sollen). Nicht zuletzt stellt sich die berechtigte Frage, ob Jolie mit ihrer Radikalaktion neue Behandlungstrends auslöst, die nicht zum Wohle aller betroffenen Frauen sind.

In die Hyper-Feminität geschnitten

Für das große, globale Staunen über diesen Schritt ist aber noch ein anderes, meiner Meinung nach noch tiefsitzenderes Moment verantwortlich. Es geht um das Image von Angelina Jolie als der "perfekten Frau". Jahrelang hat die Schauspielerin eine Aura von Hyper-Feminität umgeben und mit jeder privaten oder beruflichen Tat wurde diese Wahrnehmung in der Öffentlichkeit noch verfeinert. Jolie glänzte in jeder nur erdenklichen weiblichen Rolle, sei es als Vielfach-Mutter, als UN-Sonderbotschafterin, als verlässliche Partnerin, als kritische Regisseurin und natürlich auch als Sexsymbol in einer von celeb-bodies besessenen Medienkultur. Nun hat sich aber gezeigt, dass diese Superwoman auch etwas hat, das nicht perfekt ist: ihre Grundstruktur, ihre DNA. Ihre Reaktion darauf war, sich aus ihrem wunderschönen Körper das Weiblichste zu entfernen und es "künstlich" rekonstruieren zu lassen.

Es wird sich weisen, wie Frau Jolie aus dieser Geschichte herauskommt – ob ihr die Welt ihre "Weiblichkeit", die sie ja angeblich durch den Eingriff nicht verloren hat, weiterhin abnimmt,  oder ob sie dadurch vom Thron der perfekten Frau verstoßen wird.

Versehrte Madonna

Ungeachtet dessen hat sie mit ihrem Bekenntnis etwas sehr Schönes getan:  Sie hat sich mit ihren weiblichen Fans gleich-gemacht. Unter all dem Glamour und Erfolg, der Wohltätigkeit, dem Geld und der Macht, ist sie eben auch nur eine Frau mit einem biologischen Körper, der nach seinen eigenen Gesetzen funktioniert oder eben auch nicht. Jolie ist jetzt eine Versehrte. Eine versehrte Madonna. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 15.5.2013)