Shakespeare als Inbegriff höchster Dramatikkunst verführte über die Jahrhunderte hinweg Theatermacher zu Annäherungsversuchen - auch heute noch rackern sie sich ab, der Stücke Zeitlosigkeit aufzuzeigen. Wie geht man um mit Klassikern? Zu den ungewöhnlichsten Ideen zählt sicherlich jene der Reduced Shakespeare Company. Den drei Freaks Adam Long, Daniel Singer und Jess Winfield war im Jahr 1987 ein Stück nicht genug, also brachten sie kurzerhand "Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)" an einem Abend - 37 Stücke, zusammengestaucht auf zweieinhalb Stunden. Das Potpourri war ein voller Erfolg. Dorothea Renckhoff hat es 1997 ins Deutsche übertragen.

Diese Fassung, freilich gespickt mit Improvisation und innerösterreichischem Politkolorit, feierte nun im Festsaal der Volkshochschule Meidling, wo sich das Volkstheater in den Bezirken eingemietet hat, eine unterhaltsame Premiere, in der drei spielfreudige Schauspieler ihren Spaß auf das Publikum übertrugen. Unter der Regie von Anselm Lipgens durchwandern Christoph Fälbl, Robert Prinzler und Günther Wiederschwinger in bunten theaterhistorischen Kostümen die großen Tragödien, lassen in ein paar Minuten die 16 Komödien hinter sich, halten Station in Rom (wo Julius Cäsar einen Wahrsager belächelt) und spielen sich mit einem Fußball durch die Königsliga bzw. -dramen.

Die Stückabfolge hat zwei Ebenen: Auf der einen erklären und hinterfragen die Schauspieler, stets nahe am Kabarett, die Stücke, den Dichter und ihr Tun. Schenkelklopfer und Mitmachtheater inklusive. Die andere Ebene gehört dem Spiel in Versen, bei dem drei sich verausgabende Männer (im elisabethanischen Theater waren Frauen unerwünscht) zunächst in Verona - wo sonst? - einfinden und nach slapstickartigem Kämpfen und Küssen das Wesentliche aus Romeo und Julia zeigen. Prinzler überzeugt in den Frauenrollen: als Julia, Cleopatra oder Ophelia schreit, speibt und stirbt er gleich mehrmals. Köstlich ist Wiederschwingers Spiel als Hexe, er bleibt aber eher im Hintergrund. Fälbl hingegen ist von Beginn an außer Rand und Band, reißt sich das Hemd vom Leib, kocht als Titus Andronicus Menschenfleisch und gibt eindringlich einen behaarten Hamlet mit Todessehnsucht. (gil, DER STANDARD, 15.5.2013)