Quantenphysiker Peter Zoller bei einem Besuch am Erwin-Schrödinger-Institut in Wien: Er sagt, dass hierzulande nicht alle Wissenschafter die gleiche Chance erhalten, sich zu beweisen.

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STANDARD: Mit Ihrer jüngsten Arbeit stoßen Sie in die Sphären der Elementarteilchenphysik vor. Was war die Motivation dahinter?

Zoller: Die Idee ist, einen Quantensimulator mit kalten Atomen zu bauen, der Probleme in der Teilchenphysik löst. Das ist eine extrem fundamentale Sache. Wir haben aber erst begonnen, mit theoretischen Physikern zu reden, haben also noch einen weiten, vermutlich sehr steilen Weg vor uns. Das Ziel wäre, Phänomene zu berechnen, die man mit den derzeit zur Verfügung stehenden Methoden nicht berechnen kann. Zum Beispiel würden wir dann das Quark-Gluonen-Plasma besser verstehen, das unmittelbar nach dem Urknall existierte oder heute noch in Neutronensternen entsteht.

STANDARD: Wie kam es denn zu dieser Kooperation? Sprechen Quantenphysiker wie Sie überhaupt die gleiche Sprache wie Teilchenphysiker?

Zoller: In der Teilchenphysik bin ich Amateur. Ich habe schon ein Basiswissen aus der Ausbildung, aber in der Zwischenzeit hat sich enorm viel getan. Insofern musste ich mich zuerst informieren, um Ideen entwickeln zu können. Es ist die pure Neugier, die mich antreibt. Man tauscht sich also aus, erläutert die Probleme des Fachs. Dabei herrschte eine große Offenheit für unsere Zugänge, ein Enthusiasmus, wie ich ihn gar nicht erwartet habe. Nicht alle Teilchenphysiker sind interessiert, aber doch sehr viele. Man merkte schon, dass unsere Themen durchaus komplementär sind.

STANDARD: Gab es auch Skepsis gegenüber der Idee, einen Quantensimulator für die Teilchenphysik zu bauen? Schließlich hat man hier mit dem Large Hadron Collider (LHC) bei Genf ohnehin ein riesiges Werkzeug, wozu also dann noch einen Quantensimulator?

Zoller: Also mit dem LHC können und wollen wir nicht in Konkurrenz treten. Wobei es durchaus interessant wäre, mithilfe eines Quantensimulators Phänomene wie das Higgs-Teilchen, wodurch es ja erst Masse gibt, zu untersuchen. Langfristig haben wir ja das Ziel, das Standardmodell auf einem Quantencomputer zu simulieren. Dann hätten wir ein neues Werkzeug für die Theoretiker. Derzeit lernen wir aber erst, wie wir Bestandteile der Teilchenphysik im Labor in experimentell zugänglicher Art realisieren können.

STANDARD: Eine andere Kooperation der Quantenphysik, jene mit der Festkörperphysik, existiert schon länger. Was sind hier die nächsten Schritte?

Zoller: Wir haben in den letzten zwanzig Jahren gelernt, was man mit Atomen, Ionen und Photonen tun muss, um einen Quantencomputer zu bauen. Eines der momentanen visionären Ziele ist es, einen topologischen Quantencomputer herzustellen, der von Natur aus fehlertolerant wäre, wobei wir das konkret mit kalten Atomen realisieren wollen. In Santa Barbara, in der Microsoft Research Station Q, versucht man solche Ideen zu entwickeln, wobei das momentan sicher noch Grundlagenforschung ist.

STANDARD: Würde man in Innsbruck derlei Kooperationen, die über Fachgrenzen hinausgehen, intensivieren, wenn das lang versprochene Exzellenzcluster-Programm kommt?

Zoller: Mit Sicherheit. In erster Linie ginge es aber darum, die vielen guten jungen Leute, die wir mittlerweile in Innsbruck und auch österreichweit haben, auch langfristig finanzieren zu können. Das können wir mit den derzeitigen Mitteln des Wissenschaftsfonds FWF nicht mehr. Es gibt aber noch mehr Versprechen, die endlich umgesetzt werden sollten. Das Haus der Physik in Innsbruck zum Beispiel. Die Experimentalphysiker haben mittlerweile ganz ernste Platzprobleme, was sich auf die Qualität ihrer Labors auswirkt. Die wären damit gelöst. In diesem Haus wäre auch Platz für die Astrophysik, die in Innsbruck stark vertreten ist. Für mich persönlich ist das vermutlich nicht mehr unmittelbar relevant. Bis ein solches Haus fertig ist, bin ich im Ruhestand.

STANDARD: Fehlt das Geld für derlei Projekte?

Zoller: In den Naturwissenschaften gibt es zwangsläufig einen Darwinismus. Die besten Wissenschafter, die besten Gruppen bleiben bestehen. Dafür sollte es aber die gleichen Voraussetzungen geben. In Österreich haben wir aber Adelige wie das IST Austria, die viel bekommen, und Bauern wie die Universitäten, die zu wenig bekommen. Das ist irrational und verzerrt den freien Wettbewerb.

STANDARD: Eine Neiddebatte führt aber auch nicht zu einer "gerechteren" Verteilung der Mittel.

Zoller: Es ist keine Neiddebatte, das ist eine vollkommen falsche Interpretation. Ich glaube, dass das ISTA am besten Weg ist, ein Top-Institut zu werden. Wenn man aber den freien Wettbewerb leben will, dann braucht es überall gleiche Chancen. Und da es an den heimischen Universitäten viele Defizite gibt, würde ich mir wünschen, dass man da auch ansetzt, dass man mit den entsprechenden Mitteln Dinge wachsen lässt und schaut, ob sich die Wissenschafter so qualifizieren und nicht deshalb nicht qualifizieren, weil sie zu wenig Geld haben.

STANDARD: Geht es wirklich nur um mehr Geld?

Zoller: Es geht in weiterer Folge natürlich auch um moderne Strukturen. Und die könnte man schaffen, indem man Vergleiche zieht. Nehmen wir zum Beispiel Oxford. Das ist eine wirklich gute Adresse, eine Top-Universität, die weit vor den heimischen Unis gereiht ist. Wenn ich mir aber die Qualität der Naturwissenschaften, konkret der Physik, dort anschaue, dann braucht sich Österreich nicht zu verstecken. Im angelsächsischen Raum weiß man einfach, wie man Uni macht, wie man Ideen verkauft. Da könnte man etwas lernen, wenn man von der typisch österreichischen Innensicht abgeht. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 15.05.2013)

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Wissen: Der Preis eines Philanthropen

Der Preis eines Philanthropen Peter Zoller ist bereits der dritte aus Österreich stammende Physiker, der mit dem Preis der in Israel ansässigen Wolf Foundation ausgezeichnet wurde: 1981 erhielt Victor Frederick Weisskopf (1908-2002) die Auszeichnung. Der in Wien geborene Wissenschafter arbeitete mit Fachgrößen wie Erwin Schrödinger, Wolfgang Pauli und Niels Bohr zusammen. 1937 musste er wegen seiner jüdischen Herkunft in die USA auswandern und beteiligte sich am Manhattan Project zur Entwicklung der Atombombe. Nach den ersten Tests zog er sich aber zurück und setzte sich fortan für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein.

2010 wurde der Quantenphysiker Anton Zeilinger, vor allem für seine Experimente zur Quantenteleportation bekannt, ausgezeichnet. Zeilinger ist der neu gewählte Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Amtsantritt ist am 1. Juli.

Der jeweils mit 100.000 Dollart dotierte Wolf-Preis wird auch in den Fächern Chemie (hier gewann zum Beispiel der österreichisch-amerikanische Chemiker Hermann Francis Mark), Agrarwissenschaften, Mathematik, Medizin und Kunst vergeben. Benannt ist er nach dem in Hannover geborenen Erfinder und Mäzen Richard "Ricardo" Wolf, Sohn einer jüdischen Familie, der noch vor dem Ersten Weltkrieg nach Kuba auswanderte – und hier später Fidel Castro unterstützte. Wolf vertrat schließlich Kuba als Botschafter in Israel – bis zum Abbruch der Beziehungen 1973. Die Wolf Foundation gründete er 1975. Seit 1976 wird der Preis vergeben. (red)