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Judy Clarke wird den mutmaßlichen Attentäter von Boston, Dschochar Zarnajew, verteidigen. Sie hat auch schon den Unabomber vor der Todesstrafe bewahrt.

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Der 19-jährige Dschochar Zarnajew muss sich wegen des Bombenattentats in Boston vor Gericht verantworten.

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Judy Clarke auf einer Gerichtszeichnung mit dem zu lebenslanger Haft verurteilten Tucson-Attentäter Jared Lee Loughner.

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Judy Clarke steht nicht gern im Mittelpunkt. Ab dem 30. Mai wird sie zumindest teilweise keine andere Wahl haben. An diesem Tag findet die erste Anhörung im Prozess gegen Dschochar Zarnajew im Bezirksgericht von Massachusetts statt. Und die Anwältin Judy Clark wird gemeinsam mit drei weiteren Anwälten die Verteidigung des 19-jährigen mutmaßlichen Attentäters von Boston übernehmen. Dschochar Zarnajew soll mit seinem älteren Bruder Tamerlan im April dieses Jahres das Bombenattentat im Zieleinlauf des Boston Marathons geplant und ausgeführt haben. Tamerlan wurde von Einsatzkräften auf der Flucht erschossen. Dschochar ist wegen Mordes und des Einsatzes einer Massenvernichtungswaffe angeklagt.

Bisherige Klienten: Vom Unabomber bis zum Tucson-Schützen

Clarke ist kein Neuling in diesem Metier. Die 1952 in Ashville, North Carolina, geborene Juristin hat schon mehrere bekannte Straftäter verteidigt. Zu ihren Klienten gehörten: Susan Smith, die 1995 wegen Mordes an ihren beiden kleinen Kindern verurteilt wurde, sowie Eric Robert Rudolph, der 1996 ein Attentat auf die Olympischen Spiele in Atlanta verübte, bei dem zwei Menschen starben und 111 weitere verletzt wurden. Sie übernahm auch die Verteidigung des Unabombers Ted Kacsynski, der zwischen Ende der 1970er und Mitte der 1990er Jahre drei Menschen mit Briefbomben tötete. Clarkes bisher letzter bekannter Klient war Jared Lee Loughner, der Attentäter von Tucson in Arizona, der sechs Menschen erschoss und 13 weitere schwer verletzte – darunter die demokratische Kongressabgeordnete Gabriele Giffords, die auch das Ziel des Attentats war. Ihnen allen drohte die Todesstrafe – niemand hat sie bekommen. Meist ersetzte eine lebenslange Freiheitsstrafe den elektrischen Stuhl.

Todesstrafe ist "legalisierte Tötung"

Ihren Einsatz für Mörder und Terroristen versteht Clarke auch als Kampf gegen die Todesstrafe, die sie als "legalisierte Tötung" bezeichnet. Kollegen sind voll des Lobes: "Judy weiß, dass niemand nach dem schlimmsten Moment in seinem Leben beurteilt werden will", sagte Jack King von der landesweiten Vereinigung der Strafverteidiger 2011 zum "Time Magazine". "Sie kann den Menschen in Leuten finden, egal was der Rest der Welt über sie urteilt." Auch Quin Denvir, ein Kollege mit dem sie im Unabomber-Prozess gearbeitet hat, beschreibt ihre Einstellung folgendermaßen: "Judy verteidigt Individuen leidenschaftlich mit all ihrer Kraft gegen den Staat. Und der konsequenteste Weg einen Menschen zu verteidigen, ist der Versuch sein Leben zu retten."

Will Medien nicht instrumentalisieren

Clarke selbst hat bisher nicht öffentlich zu ihrer Arbeit Stellung genommen. Die meisten Berichte über sie beinhalten einen Satz in dem ihre Weigerung mit dem jeweiligen Medium zu reden, dokumentiert wird.

Obwohl ihre bekannteren Fälle von umfassender Berichterstattung begleitet wurden, hat Clarke nie versucht die Medien in ihre Verteidigungsstrategie einzubeziehen. Andere Anwälte könnten versuchen ihre Klienten in einem anderen Zusammenhang zu zeigen, einen Gegennarrativ zu erzählen, um sie weniger gefährlich, böse oder berechnend darzustellen. Aber das ist nicht Clarkes Stil. Damit ist auch Ende Mai nicht zu rechnen, wenn der Prozess gegen Dschochar Zarnajew beginnt.

Über die Arbeit mit Todeskandidaten

Erstmals sprach Clarke Ende April dieses Jahres bei einer Fachkonferenz in Los Angeles über ihre Arbeit als Verteidigerin von Todeskandidaten. Fragen aus dem Publikum waren nicht zugelassen. Was die Fälle mit potentieller Todesstrafe von anderen unterscheide, sind in erster Linie die Klienten, referierte Clark. Die meisten würden unter einem ernsten, schweren Trauma leiden. Das sei aus der Gehirnforschung bekannt. Die kognitive Entwicklung vieler Betroffenen sei problematisch und das würde sich entscheidend auf ihre Persönlichkeit niederschlagen.

Noch eine weitere Sache hätten die Todeskandidaten meist gemeinsam: Sie würden sich beim ersten Treffen oft weigern, sich schuldig zu bekennen. Ihr Job sei es, diesen Entschluss zu revidieren. Denn nur so besteht eine Chance, der Todesstrafe zu entkommen. Clarke: "Sie schauen durch die Linse des Gefängnislebens auf das Leben. Unsere Aufgabe ist es, ihnen einen Grund zu leben zu geben." (mka, derStandard.at, 13.5.2013)