Sankt Pölten - Dem Dänenprinzen Hamlet wächst im Angesicht des ihn umgebenden Grauens ein zweiter Kopf. Durch den Pulli des großen Kindes (Josef Ostendorf) bricht sich bäuchlings eine weitere goldene Krone mit entsetztem Gesicht (Jörg Pohl) Bahn. Die Last von Hamlets Gedanken vermag kein einzelner Schädel zu tragen: Mutter und ihr Lover haben den Vater gemordet und tun nun so, als wäre an der Machtspitze und bei der Erziehung alles wie gehabt.

Den Hochverrat am eigenen Kind, ein unermessliches Verbrechen, kleidet der flämische Theaterregisseur Luk Perceval - nach einer Shakespeare-Neubearbeitung von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel - in eine finstere Installation streng formalisiert agierender Figuren. Die Produktion vom Hamburger Thalia-Theater (2010) war am Wochenende für zwei Vorstellungen am Landestheater Niederösterreich zu Gast. Jubel im Premierenpublikum.

Das Bühnengeschehen ist leblos unterkühlt, die Schauspieler fühlen ihren Figuren nicht hinterher, sondern performen als bloße Zeichen ihrer selbst. Dazu liegt ein ausgestopfter Hirsch wie ein tierisches Mahnmal von Mauricio Cattelan an der Rampe (Bühne: Annette Kurz) und schaut dem Treiben mit seinen verdrehten Glasaugen zu: Mutter Gertrude (Gabriela Maria Schmeide) dribbelt sexuell befriedigt als rosa Ballerina an der Hand ihres Neogemahls Claudius; dieser (André Szymanski) hat unter seinem Pelzmantel schnell den schwarzen Slip freigelegt.

Polonius (Barbara Nüsse) fährt im Rollstuhl vor, Laertes (Sebastian Zimmler) fürchtet auf hohen Stelzen um seine Schwester Ophelia (Birte Schnöink) im wässrigblauen Kleid; und Mirco Kreibich knüppelt als Rosencrantz & Guildenstern seinen wendigen Körper wie Xylofonschlägel über den Bühnenboden.

Den Schmerz hat diese unbequeme, spannende Inszenierung aber vor allem in die Musik von Jens Thomas gelegt. Er singt und spielt an Gitarre und Klavier, als wäre er Scott Walker. Joh! (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 13.5.2013)