"Unfug" ist richtig. So nennt der bekannte Verfassungsrechtler Heinz Mayer von der Uni Wien den Vorschlag der drei Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und BZÖ, nach Volksbegehren mit einer genügenden Anzahl von Unterschriften (250.000) verpflichtend eine Volksbefragung abhalten zu müssen. Das Ergebnis selbst ist dann für Regierung und Parlament nicht unbedingt verpflichtend (außer sie legen sich vorher fest).

Das ist die letzte Variante in einer Reihe von Unfug-Vorschlägen, die angeblich der Ausweitung der direkten Demokratie und der höheren Wahlbeteiligung dienen sollen.

Vorher wollte man im Rahmen des von der Regierung versprochenen " Demokratiepakets" statt einer Volksbefragung eine Volksabstimmung machen, wenn eine bestimmte Unterschriftenanzahl erreicht ist (ÖVP: zehn Prozent der Wahlberechtigten, derzeit rund 610.000, Faymann meinte einmal 700.000, FPÖ: 250.000, Grüne 4 Prozent der Wahlberechtigten).

Da man sich nicht einigen konnte (und die SPÖ der ganzen Idee skeptisch gegenübersteht), verfiel man dann von Volksabstimmung auf die scheinbar weniger verpflichtende Volksbefragung. Viel Unterschied ist da nicht - denn wenn ein populistischer Unfug abgefragt wird - z. B. "noch raschere Abschiebung von Asylwerbern" oder auch "gesetzliches Pensionsalter schon 55 für Männer und 50 für Frauen" - dann entsteht sehr leicht (mithilfe populistischer Massenmedien) ein Druck auf Regierung und Parlament, das Ergebnis verbindlich zu erklären (wie bei Wehrpflicht/Berufsheer).

Es ist ja nicht nur so, dass über allerlei Unfug abgestimmt würde, sondern die Idee selbst ist demokratiepolitischer Unfug. Ein riesiger Themenkatalog - Menschenrechte, Bürgerrechte, Eigentumsrechte, soziale Rechte - müsste wohl von vorneherein ausgenommen werden; es gäbe aber immer noch genug schwierige Themen, die dann - ohne eingehende Debatte, ohne Kompromissmöglichkeit, unter Ausschaltung der normalen politischen Willensbildung - einer Ja/Nein-Befragung mit automatischem Handlungszwang unterworfen wären.

Aber wie kann man den Bürgerwillen besser zur Geltung bringen? Zum Beispiel, laut Mayer, indem man "Volksbegehren nicht versanden lässt im Parlament, sondern etwa eine verpflichtende Parlamentsdebatte mit Proponenten des Volksbegehrens vorsieht, anstatt sie wie jetzt zu verräumen. Dann würde die Öffentlichkeit auch sehen, wie die Politik damit umgeht."

Oder indem die Bürger selbst Druck aufbauen, etwa über das Internet sozusagen informell zehntausende, vielleicht hunderttausende Unterschriften sammeln. Wenn die Politik sieht, das bei einem Thema genug Power dahinter ist, wird sie sehr wohl aktiv werden. Man braucht kein Volksbegehren und keine Volksbefragung mit Marsch aufs Magistrat oder Briefwahl, um bei aktuellen Fragen - etwa "Wie viele Windräder verträgt eine Landschaft?" der Politik Feuer unterm Hintern zu machen. Das lässt der Politik trotzdem einen Spielraum der Entscheidung in der Demokratie. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 11./12.5.2013)