So langsam wie möglich. So schnell wie nötig. Lautet das Mantra des Geländefahrers. Der Zauberspruch öffnet das Tor zur Wildnis, zu Matsch und Geröll, tiefen Furten und schwindelerregenden Abhängen. Auch wenn der Novize wild am Lenkrad dreht, in der Aufregung Kupplung mit Bremse verwechselt und in haarsträubender Seitenneigung dem sicheren Tod ins Auge blickt, kämpft er sich durch. Nimmt erstaunliche Hindernisse. Und verdankt den Erfolg dem freundlich gelassenen Lehrer, der eher lobt als tadelt und mit dem richtigen Wort zur rechten Zeit die Wege ebnet.

Nicht unwesentlich beteiligt ist das Auto. Ein Defender, der Ur-Landy, in vielen Gehirnen noch als Daktari-Auto eingeparkt, der äußerlich fast unverändert seit 65 Jahren den Nimbus und das Flair der Marke auf seinen eckigen Schultern durch die Welt trägt.

Foto: land rover

Was der Defender mit dem knorrigen Eifer einer unverwüstlichen, auf den reinen Zweck gerichteten Natur bewältigt, erledigt seine moderne Inkarnation in seidenweicher Noblesse. Den Discovery regelt die Elektronik durch reißende Wildbäche, über verblockte Geröllhalden und öde Wüsteneien. Du sitzt luftgefedert im Lederfauteuil und lässt schalten und walten und machst ein stahlhartes Gesicht. Der Wagen weiß, wie's geht. Und der Instruktor, ohne den der Ausflug im nächsten Schlammloch jäh ins Wasser fällt.

Aus dem von zwei Rover-Ingenieuren zusammengeschraubten Defender, der als günstiger Traktorersatz in den Nachkriegsjahren reüssierte, erhob sich eine Marke, die den Offroad-Bereich seit 1948 dominiert. Land Rover war maßgeblich an der Erforschung und der Vermessung der Welt beteiligt, machte sich einen Namen als Expeditionsspezialist, als Lebensretter und Sozialarbeiter in den entlegensten Gebieten der Erde.

Nobler Alleskönner

Die Robustheit und Unverwüstlichkeit beweist die Tatsache, dass rund 70 Prozent aller je gebauten Land Rover noch immer unterwegs sind. Die Marke prägte die Entwicklung der Allradtechnologie und erschloss mit steigendem Erfolg auch die Welt der Schönen und der Reichen mit dem noblen Alleskönner Range Rover.

Den 65. Geburtstag feiert Land Rover mit den höchsten Verkaufszahlen aller Zeiten, wozu der chinesische Markt heftig beisteuerte. Österreich meldet satte 98 Prozent plus und heizt die Feierlichkeiten mit dem jüngst vorgestellten neuen Range Rover Sport und dem kompakten Bestseller Range Rover Evoque in einer spannenden Sonderversion an. Als Yellow Edition ab 56.700 Euro in einer Auflage von 30 Stück für Österreich. (Andreas Hochstöger, DER STANDARD, 10.5.2013)

Landy-Momente, eine Ansichtssache:

Am Anfang stand der Mangel. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die britische Regierung auf der Suche nach neuen Devisen-Einnahmen. Nicht zuletzt die Autohersteller der Insel waren aufgerufen, potenzielle Exportschlager zu entwickeln. So auch Rover.

Foto: land rover

Spencer Wilks, damals Geschäftsführer von Rover (Foto rechts), ließ sich von der Idee seines Bruders Maurice infizieren. Dessen Willys Jeep, eine Hinterlassenschaft aus US-Militärbeständen, hatte den technischen Direktor bei Land Rover inspiriert, eine Eigenentwicklung anzustoßen. Bruder Spencer gab 1947 sein "Go". Der Allradler war mehr als universelle Zugmaschine in der Landwirtschaft, weniger als Geländeauto ausgelegt. Im Bild das Vorserienfahrzeug Nummer eins, kraft seines Kennzeichens hausintern "Huey" gerufen.

Foto: land rover

Nachdem Stahl im England der Nachkriegszeit knapp war, entschied sich Maurice, die Karosserie in teurerem, aber korrosionsbeständigem Aluminium auszuführen. Der Motor kam hingegen aus dem Rover-Regal. Die Projektbezeichnung "Land Rover" wurde kurzerhand für das Serienmodell übernommen, das vor 65 Jahren debütierte.

Foto: land rover

In die Rolle als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ließ sich der Landy jedoch nicht wirklich drängen. Der offene Geländebefrieder mit dem Stoffdach weckte schon bald das Interesse des britischen Militärs, 1949 ging die erste Bestellung bei Rover ein. Fortan machte der Spartaner international Furore.

Foto: land rover

Ein weltweit bekanntes Testimonial war in dieser Sache durchaus hilfreich.

Foto: land rover

Gleichzeitig entwickelte sich der Engländer zum begehrten Begleiter für allerlei Gelände- und Flußquerungs-Jobs. Wo immer asphaltierte Straßen endeten, begann für den kantigen Land Rover der eigentliche Auftrag. So auch bei der "Oxford and Cambridge far Eastern Expedition" von 1955.

Foto: land rover

Die Route führte sechs Studenten vom Hyde Park (London) über Jugoslawien, die Türkei, den Iran, Indien und Thailand bis nach Singapur. Vor allem eine Kurzfilmserie auf BBC machte die sechs Monate währende Fernreise - und damit auch die beiden eingesetzten Land Rover Station Wagons - einem breiten Publikum bekannt.

Foto: land rover

Land Rover - das war spätestens mit der "Far Eastern Expedition" ein Synonym für Abenteuer. Im Bild: Ein Expeditions-Landy neben einem Zug der Darjeeling Himalayan Railway, Indien.

Foto: land rover

Unkaputtbarkeit und das Talent, sich die Welt untertan zu machen: Beides Werte, auf die auch die britische Krone nicht verzichten wollte.

Foto: land rover

1958 beerbte die "Series II" den immerhin zehn Jahre gebauten Vorgänger. Das Äußere wurde dezent überarbeitet, ein stärkerer Motor brachte mehr Drehmoment an die Räder. Was als Landy begann, differenzierte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer bunten Familie aus. Mehrere Radstände und unterschiedliche Aufbauten wappneten den Engländer für jede Mission. Zahlreiche Lizenznehmer trugen die Idee bis in den hintersten Winkel des Erdballs.

Foto: land rover

Immer wieder knöpfte man sich die Plattform für heftigere Umbauten vor. Hier bahnt sich ein "Forest Rover" Anfang der 1960er seinen Weg durch das nahe Birmingham gelegene Land-Rover-Testgelände zu Packington.

Foto: land rover

Gern jubelte man dem Aufbau auch endzweckgerichtete Fahrwerke, in diesem Fall einen Kettenantrieb von Cuthbertson, unter.

Foto: land rover

Die 1971 lancierte Serie III brachte erstmals eine Art Wohlstand in den Engländer. Ein Armaturenbrett aus Plastik etwa. Die Motoren zeigten sich überarbeitet (Dieselantrieb gab es bereits länger), äußerlich war dem Neuen das Neue bloß auf den zweiten Blick anzusehen.

Foto: land rover

Stattdessen richteten sich alle Augen auf den 1970 präsentierten Range Rover. Der etablierte das Genre des Offroaders mit Luxus-Attitüde. Ein im wahrsten Sinne des Wortes großer Wurf. Der mit einem V8-Zylinder hinreichend motorisierte, dank Schraubenfedern durchaus zivilisierte Wagen war vom Fleck weg ein Bestseller - und sicherte der Marke Land Rover in einer Zeit, in der die britische Autoindustrie von der großen Seuche dahingerafft wurde, das Überleben.

Foto: land rover

Trotz der immer stärkeren japanischen Konkurrenz ließ man sich für die nächste Line Extension 19 Jahre Zeit. Der Discovery gab das smarte Bindeglied zwischen dem mittlerweile ziemlich üppigen Range und dem knorrigen Ur-Landy. Letzterer wühlte sich ab Ende der 1980er als Defender durch den Unbill der Abwege.

Foto: land rover

Eine perfekte Marketing-Kampagne und hochangereichertes Abenteuer-Versprechen machten den Discovery zu einem It-Car des tatsächlichen (und eingebildeten) Landadels. Fortan wurde zwischen Madison Avenue und Cornwall über Wattiefen und Böschungswinkel diskutiert.

Foto: land rover

Seltener Anblick: Für einen Defender hat es sich ausdefendert. Hier helfen nur Manneskraft und eine Winsch.

Foto: land rover

1997, Land Rover gab sich gerade ein Kurzbeziehung mit BMW, bediente der Freelander gezielt die Lifestyle-Klientel. Damit zählten die Engländer zu den ersten Europäern, die auf die japanische SUV-Erfolgsformel reagierten. Der Freelander war übrigens noch erfolgreicher: Bis 2004 Bestverkaufter seiner Klasse in Europa.

Foto: land rover

Vollends auf Lebensstil setzte schließlich ab Herbst 2011 der Range Rover Evoque, der gekonnt Pultdach und Bauhaus verquickte. Die mittlerweile sechste Modellreihe des Hauses gibt es – Premiere bei Land Rover – auch in einer stadtfeinen Frontantriebs-Variante. Aber so ändern sich die Bedürfnisse im Lauf von 65 Jahren.

Link
Land Rover

Foto: land rover