Für die Abschaffung von Agrarzöllen: Daniel Hamilton.

Foto: Johns Hopkins University

Wien - Die Chancen, dass die USA und die EU bis Ende 2014 ein transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) schließen, stehen gut - aber nicht weil sich die beiden Seiten über alle Streitpunkte einigen werden, sondern weil der Prozess es ermöglicht, auch kleinere Fortschritte als Erfolg zu verkaufen. Das sagt Daniel Hamilton, Professor an der Washingtoner School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University und Experte für transatlantische Wirtschaftsbeziehungen, im Standard-Gespräch.

Hamilton war als Beamter der Clinton-Regierung an den gescheiterten Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone in den Neunzigerjahren beteiligt und weiß, wie groß die Hindernisse, etwa durch Gentechnik, unterschiedliche Umweltauflagen, die Dominanz der US-Filmindustrie und die Eigenheiten der US-Bundesstaaten, sind.

Aber diese heiklen Punkte würden diesmal vorerst ausgespart werden. Erzielbar sei ein Paket, das ein Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und der EU - bisher gibt es dies nur mit den einzelnen Mitgliedsstaaten -, die Eliminierung aller Zölle auf Industrie- und Agrargüter und gewisse Fortschritte bei Dienstleistungen enthält.

Industriezölle betragen zwischen den beiden weltgrößten Wirtschaftsblöcken nur noch zwischen drei und vier Prozent, aber ihre Abschaffung würde dennoch Milliarden an neuem Wachstum bringen, sind Ökonomen überzeugt. Das Aus für alle Agrarzölle sei "auch für die europäischen Bauern akzeptabel, denn diese werden ohnehin durch Regulierungen geschützt", betont Hamilton.

Die übrigen Themen würden dann in einen "lebenden Prozess" aufgenommen und über die kommenden Jahre allmählich abgearbeitet werden. "Man löst nicht jedes Problem, aber schafft ein neues partnerschaftliches Verfahren", sagt Hamilton. Fortschritte bei Dienstleistungen seien etwa davon abhängig, ob es in der EU gelingt, diesen Sektor zu liberalisieren.

Für ein Abkommen braucht Obama 67 der 100 Stimmen im Senat, was schwierig, aber nicht unmöglich sei. Denn "es gibt keine organisierte Opposition gegen transatlantischen Freihandel, aber auch keine organisierte Unterstützung", so Hamilton.

Plädoyer für Offenheit

Eine wichtige Frage müssten Politiker auf beiden Seiten beantworten: Soll TTIP offen für andere Staaten sein? Das ist aus Hamiltons Sicht fast unvermeidlich, weil die USA und die EU Freihandels- und Zollabkommen mit Drittländern haben - etwa mit Mexiko, Südkorea oder der Türkei. Ein relativ offenes Abkommen könnte trotz des Scheiterns der Doha-Runde den globalen Freihandel beleben.

Konkret schlägt der Experte für transatlantische Beziehungen vor, dass die Verhandler von vornherein die unterschiedlichen Handelspräferenzen von USA und EU für afrikanische Staaten harmonisieren. "Eine gemeinsame Initiative für Afrika wäre ein Signal, dass dies ein offener Prozess ist. Und irgendwann müssten sie es ohnehin machen." (Eric Frey, DER STANDARD, 10.5.2013)