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Automatisch durchgeschleust unter dem Auge der Kamera oder Kontrolle per Hand: Es gibt bereits einige Pilotprojekte zur biometriegestützten Grenzkontrolle wie etwa am Flughafen Frankfurt. Wer das nicht mag, kann sich auch der herkömmlichen manuellen Kontrolle unterziehen.

Foto: AP/Stefan Rousseau-pa

Reisepass auf die Vorrichtung legen. Die Schleuse geht auf. Reingehen. Schleuse zu. Gesichtsscan. Analyse biometrischer Merkmale. Schleuse auf. Fertig. Das alles dauert insgesamt etwa dreißig Sekunden. Längstens. Und zeigt, wie Grenzkontrollen in Zukunft ablaufen sollen - und es am Flughafen Wien schon jetzt zum Teil tun.

Damit das möglich ist, brauchen Reisedokumente Standards und der Reisende den Willen mitzumachen. Denn es soll jedem die Wahlfreiheit gelassen werden, ob er sich einer herkömmlichen manuellen Kontrolle unterzieht oder durch die automatische Grenzschleuse geht. Ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt zielt deshalb nun darauf ab, eine Referenzarchitektur zu entwickeln und damit auch die Grenzkontrolle für den Benutzer so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten.

"Die Harmonisierung ist eine Herausforderung, aber im Mittelpunkt stehen Passagiere und Grenzbeamte", sagt Markus Clabian, Koordinator des europäischen Projekts vom Austrian Institute of Technology (AIT). Durch Interviews soll in den nächsten Jahren geklärt werden, wozu Reisende bereit sind, um rascher voranzukommen.

Gesichtsabgleich bis Iris-Scan

Schon jetzt ist es mit einer Kamera recht einfach möglich, einen elektronischen Abgleich zwischen den Merkmalen des Gesichts des Menschen, der in der Schleuse steht, und dem Foto, das im Chip seines Reisepasses gespeichert ist, zu machen. Angedacht wird darüber hinaus, die Fingerabdrücke zur Identifikation zu verwenden - denn seit dem Jahr 2009 werden die Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers bei der Passverlängerung und -ausstellung erfasst. Denkbar sei aber beispielsweise auch ein freiwilliger Iris-Scan für Menschen, die viel reisen und dadurch noch schneller kontrolliert werden könnten.

So ganz klar sei das aber alles noch nicht. Das Projekt startete im Jänner und ist auf vier Jahre angesetzt. Das Konsortium besteht aus 27 Partnern - Forschungseinrichtungen, Behörden, Infrastrukturbetreibern und Industriefirmen aus insgesamt acht europäischen Ländern. Sicher ist aber, dass nicht völlig auf Grenzbeamte verzichtet werden kann. Ein Mitarbeiter soll dann jedoch mehrerer Schleusen beaufsichtigen und nur in besonderen Situationen oder bei auffälligem Verhalten eingreifen.

"Dadurch kann die automatisierte Grenzkontrolle auch zukünftigen Überlastungen entgegenwirken", sagt Clabian. Schätzungen zufolge werde es bis ins Jahr 2030 eine Steigerung von 70 Prozent an Reisenden geben. Ein weiterer Aspekt ist der Sicherheitsgedanke. Es sei zwar durchaus möglich, dass die "manuelle Kontrolle", also die herkömmliche durch einen Grenzbeamten, noch schneller sei als die in einer Schleuse, die Frage sei dann aber, was alles überprüft wurde - effizienter sei die Schleuse.

Die Demonstrationsanlage in Wien, die innerhalb eines vorangegangenen rein österreichischen Projekts entwickelt wurde, ist derzeit meist vier Stunden am Tag im Einsatz und kann von jedem Passagier getestet werden, der außerhalb des Schengenraums reist. Sein Reisepass und die darauf elektronisch gespeicherten Daten werden von einem Lesegerät erfasst, und dann wird via Kamera das Gesicht mit dem Foto abgeglichen. Fingerabdrücke und Iris-Scan spielen noch keine Rolle.

"Das funktioniert im Regelfall schon sehr gut. In den letzten zehn Jahren hat sich auf dem Gebiet des biometrischen Abgleichs wahnsinnig viel getan", sagt Clabian. Am wichtigsten seien für die Funktionstüchtigkeit schlicht gute Beleuchtung und hochwertige Kameras. Auch außerhalb Europas sind vergleichbare Systeme bereits im Einsatz wie etwa in Australien oder Hongkong.

Datenschutz im Grenzverkehr

Ein weiterer entscheidender Aspekt, an dem im Zuge des EU-Projekts gearbeitet wird, ist der Datenschutz. Auf keinen Fall würden Daten über das Reiseverhalten von EU-Bürgern erfasst werden. Angedacht wird auf EU-Ebene aber derzeit, den Ein- und Ausgang von Drittstaatenbürgern zu messen und elektronisch zu erfassen - ähnlich dem heute üblichen Stempel im Reisepass, nur automatisiert.

Er arbeite eng mit den Datenschutzkommissionen aller EU-Länder zusammen, betont Clabian. Externe Fachleute würden den Prozess kontinuierlich begleiten und kontrollieren. "Im Realeinsatz werden dann aber die Behörden für den gesetzlich geregelten Datenschutz verantwortlich sein."

Ziel ist es, in vier Jahren eine zukunftsfähige Grenzarchitektur für ganz Europa zu entwickeln, die auch spätere Adaptionen und Veränderungen zulässt. Es sollen nicht nur Flughäfen, sondern auch Schiffshäfen und Straßengrenzen durch automatisierte Grenzstellen kontrolliert werden können. Nach Abschluss des Projekts soll es zumindest drei Demonstrationsanlagen geben: am Flughafen Wien, an einem Hafen in Griechenland und einer Straßengrenze in Polen.

Clabian ist zuversichtlich, dass das System von den Reisenden gut angenommen werden wird, da der Nutzer schon im Entwicklungsprozess eine tragende Rolle spielt. Wie zum Beispiel nach Einführung des Bankomaten brauche der Mensch aber Übung und Routine. "Prognosen sind immer schwierig, aber ich glaube, dass in spätestens zehn Jahren der überwiegende Teil der Reisenden in Europa mit Unterstützung durch automatisierte Systeme kontrolliert wird." (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 08.05.2013)