Wien – Auf dem Wiener Handelsgericht wurden wenige Minuten vor der Abstimmung über den Sanierungsplan für die Schwedenbomben die Karten völlig neu verteilt. Exakt fünf vor zwölf Uhr Mittag erschien am Dienstag Sanierer Erhard Grossnigg auf dem Parkett. Seine Anwälte von Cerha Hempel Spiegelfeld legten in aller Kürze zur Überraschung der Beteiligten ein Angebot vor. Es folgten hitzige Wortgefechte, die mit dem Entschluss endeten, über das Schicksal der Süßwarenfabrik Niemetz erst am 16. Mai zu entscheiden.

Es gibt in Österreich kaum Branchen, durch die Grossnigg keine Spur zog. Nach eigenen Angaben gehen mehr als hundert Sanierungen auf das Konto seines Teams. Angetan haben es dem 66-Jährigen vor allem Traditionsmarken – wie etwa die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten, die aber schon seit mehr als zehn Jahren in der Verlustzone steckt. Familie Herzl, frühere Eigentümerin von Stiefelkönig (die verlustreiche Schuhkette gehört heute Rivalen Leder & Schuh), suchte einst seinen Rat. Durch seine Hände gingen auch Handelsketten wie Forstinger und Niedermeyer. Bei Huber Trikot engagierte er sich ebenso wie bei Tarbuk.

Retter

Nun will ihn Familie Niemetz als Retter. Grossnigg soll mit seiner Austro Holding, die mehr als ein Dutzend Investoren vereint und unter anderen an Domoferm, Neudörfler, Lohberger und Binder +Co beteiligt ist, 70 Prozent der Anteile des Wiener Betriebs übernehmen. Am Rest wollen die bisherigen Eigentümer festhalten.

Grossnigg und Niemetz bieten den Gläubigern dafür eine Barquote von 75 Prozent, was 3,3 Millionen Euro entspricht. Finanziert ist der Deal offenbar noch nicht, entsprechende Nachweise fehlen.

„Es wäre eine österreichische Lösung, die Wien als Standort garantieren könnte", sagt Gerhard Weinhofer, Chef der Creditreform. Zunächst müsse aber einmal klar sein, ob und woher das Geld komme. Was bisher vorgelegt wurde, reicht nicht, meint auch Roman Tahbaz vom Kreditschutzverband, auch wenn die neue Investorengruppe als potent gelte. Beide Seiten erhielten noch etwas Spielraum. Weitere Interessenten wolle man dabei aber nicht vor den Kopf stoßen. Üblich seien die jüngsten Abläufe nicht, die Kommunikation der Eigentümer sei nicht gerade optimal verlaufen. Die Verfahrenskosten dürften auf bis zu 100.000 Euro steigen.

Familie Niemetz, die sich parallel bemühte, auch andere Investoren ins Boot zu holen, bot anfangs eine Quote von 20 Prozent, stockte dann auf 52 Prozent auf. Eine Zerschlagung bringt den Gläubigern wie berichtet freilich deutlich mehr, worauf man sich auf 75 Prozent Bares festlegte. In der Regel gebe es bei Insolvenzen Barquoten im einstelligen Bereich, erläutert Masseverwalter Stephan Riel. Das Engagement der Konsumenten rund um die Insolvenz sei in Österreich bisher einmalig gewesen. Dank des Hypes liefen die Geschäfte gut, die Monate März und April brachten 2,1 Millionen Euro Umsatz. Dass Niemetz doch noch zusperren muss, schließt Riel aus. Auch wenn der Sommer die Umsätze traditionell um mehr als 40 Prozent schmelzen lässt. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 8.5.2013)