"Wahrscheinlich könnte nicht einmal Gott als unabhängiger Kandidat gewinnen", hat der Musiker, Autor und Tierschützer Kinky Friedman sein Abschneiden bei der Gouverneurswahl in Texas im Jahr 2006 kommentiert. Unterstützt von seinem engen Freund Willie Nelson hat Friedman damals 12,6 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Im kommenden Jahr will er mit Anliegen wie der Legalisierung von Marihuana, der gleichgeschlechtlichen Ehe und einer Reform des Bildungssystems erneut ins Rennen gehen, dieses Mal als Kandidat der Demokraten.

Man kann davon ausgehen, dass er seinen Anliegen erneut mit bärbeißigen, politisch nicht korrekten Statements Gehör verschaffen wird. Immerhin hat der "letzte jüdische Cowboy" einst die Country-Rock-Szene mit satirischen Songs wie "The Ain't Makin' Jews Like Jesus Anymore" und "Ride 'Em Jewboy" aufgemischt und für "Get Your Biscuits in the Oven and Your Buns in the Bed" den Male Chauvinist Pig of the Year Award kassiert.

Und auch seine oft in New York angesiedelten Kriminalromane mit einer Katze, einer Schar an Freunden und sich selbst als Detektiv in den tragenden Rollen beziehen ihren Reiz zu einem Großteil aus den Einzeilern, die der "Kinkster" scheinbar mühelos noch in der misslichsten Lage aus dem Ärmel schüttelt. Am Rande eines Wien-Konzerts auf seiner "Bi-Polar Tour" stand der 69-Jährige derStandard.at in einem Gespräch und einem Video-Word-Rap Rede und Antwort.

derstandard.at/ von usslar

derStandard.at: Werden Sie wieder als Gouverneur von Texas kandidieren?

Friedman: Ja, ich bewerbe mich wieder, aber der große Unterschied dieses Mal ist, dass ich als Demokrat antrete. Als Demokrat alter Schule im Stil von Harry S. Truman, um Marihuana und Casino-Glücksspiel in Texas zu legalisieren, damit Geld hereinkommt, das wir für unsere Anliegen verwenden können. Ich bin mir sicher, dass andere Politiker das Thema Marihuana nicht anrühren werden, weil sie sich davor fürchten.

Sie haben sich auch der gleichgeschlechtlichen Ehe 2005 nicht angenommen, als ich mich dafür starkgemacht habe. Die Berufspolitiker spiegeln nur Meinungen wider, von denen sie glauben, dass sie ihnen Stimmen verschaffen. Ich versuche ein Übergangskandidat zu sein, der Texas verändert und erstmals seit Gouverneurin Ann Richards vor 22 Jahren die demokratische Wende schafft. Es wird ein ernsthafterer Wahlkampf als beim letzten Mal. Ich bin ein fröhlicher Krieger, aber meine Anliegen nehme ich ernst.

derStandard.at: Es heißt, Sie seien mit Bill Clinton und George W. Bush befreundet.

Friedman: Bill könnte sehr wertvoll sein, wenn wir die Nominierung bekommen. Auch Willie Nelson und Snoop Dogg könnten sehr hilfreich sein.

derStandard.at: Werden Sie von beiden unterstützt?

Friedman: Von Willie ja, Snoop weiß es noch nicht.

derStandard.at: Als Sie als Musiker mit Ihrer Band, den Texas Jewboys, begonnen haben - wie waren die Reaktionen?

Friedman: Sie waren meistens ziemlich gut, aber ich denke, die Zeiten haben sich geändert, als die politische Korrektheit ins Spiel gekommen ist. Die Politiker werden die Songs nehmen und sie gegen mich verwenden. Sie werden sie absichtlich missverstehen. Das letzte Mal haben sie das etwa mit "The Ain't Makin' Jews Like Jesus Anymore" getan, das jeder auf der ganzen Tournee verstanden hat. Es ist klar, dass es in dem Song um Bigotterie geht. Trotzdem hat man mich als Rassisten bezeichnet. Allerdings haben sie auch Bill Clinton einen Rassisten genannt und Mark Twain. Das ist eine ziemlich gute Gesellschaft.

derStandard.at: Sie sind zuletzt unter anderem bei den "Midnight Rambles" von Levon Helm aufgetreten, der vor einem Jahr verstorben ist.

Friedman: Sein Tod bedeutet einen großen Verlust. Er war das Herz und die Seele von The Band, einer der wenigen, der Menschen wirklich inspirieren konnte. Wenn man ihn spielen sah, ging man verändert weg. Das trifft auf nur wenige zu, auf Levon, Willie Nelson, Bob Dylan, vielleicht Merle Haggard. (Friedman widmete Helm seinen Wien-Auftritt, Anm.)

derStandard.at: Vor kurzem ist auch der Country-Musiker George Jones verstorben.

Friedman: Ein anderer Großer! Nashville war noch nie so schlimm. Noch nie! Und George Jones repräsentiert das Nashville, das ich liebe, das aufregend ist. Ein Typ mit echtem Talent, echten Problemen und Dämonen. Das ist, worum es in der Country Music geht, wobei Hank Williams der Beste war, das beste Problemkind, das die Country Music je hatte.

derStandard.at: Gibt es keine Nachfolger?

Friedman: Das ist die Frage. Ich sehe keine. Ich sehe viele, die talentiert sind, und eine Menge guter Songwriter. Aber nur, weil du ein Townes Van Zandt werden willst, wenn du groß bist, heißt das nicht, dass du es tatsächlich schaffst. Wahrscheinlich ist das Gegenteil wahr. Niemandem, der sich hinsetzt, um ein Meisterwerk zu erschaffen, gelingt das. Es gelingt Leuten wie Van Gogh, der malen muss, um die Miete zu bezahlen, und mit einer Prostituierten und einem zweijährigen Kind lebt. Es passiert zufällig. Ich sage mir, ich will nicht zu glücklich sein. Ich bekämpfe die Zufriedenheit, sie ist der Feind des Künstlers. Meine Definition eines Künstlers ist jemand, der der Zeit voraus und mit seiner Miete im Verzug ist.

derStandard.at: Warum haben Sie begonnen, Bücher zu schreiben?

Friedman: Aus Verzweiflung. Ich habe jeden Sonntag im Lone Star Café in New York gespielt und eine Menge peruanisches Marschierpulver geschnupft. Und ich habe eine Frau bei einem Überfall gerettet. Das hat mich auf die Idee gebracht, es mit einem Kriminalroman zu versuchen, in dem ich der Detektiv bin. Ich habe 18 davon geschrieben, vielleicht schreibe ich noch mehr. Aber nicht jetzt. Man kann nicht gleichzeitig Bücher schreiben, Tiere retten, Gouverneurskandidat und Musiker sein.

derStandard.at: Haben Sie tatsächlich in einem Loft in der Vandam Street im New Yorker Greenwich Village gelebt, wie Sie in Ihren Kriminalromanen schreiben?

Friedman: Ja, ich habe im fünften Stock der Vandam Street 99B gelebt. In den Büchern hieß es 199B, zum Schutz der lesbischen Tanzklasse, die es dort noch immer gibt. Ich hoffe zumindest, dass es sie noch immer gibt!

derStandard.at: Sie leben heute wieder in Texas auf der Ranch Ihrer Familie.

Friedman: Ja, es ist eine Tierschutz-Ranch und im Sommer ein Camp für Kinder. Ich lebe jetzt das ganze Jahr dort. Es ist im Herzen von Texas, schönes Hügelland. Das beunruhigt mich an der Gouverneurswahl: Wenn ich mitmache, muss ich wieder die ganze Zeit nach Austin, das ein Ameisenhaufen ist, ein verrückter Ort mit jeder Menge Verkehr und einer Million Leute, die sich für cool halten.

derStandard.at: Sie haben in Ihren Krimis über Ihre Freunde geschrieben. Die Grenze von Fiktion und Realität scheint sehr durchlässig.

Friedman: Ja, wenn es um lebende Menschen ging, habe ich ihre wirklichen Namen verwendet. Ich habe eine Menge davon jetzt wieder in New York getroffen, sie sind noch dort. Was immer dich zum Schreiben bringt, du musst mit irgendetwas beginnen. Ich glaube nicht daran, alles genau vorauszuplanen. Es geht darum, eine Stimme zu finden - ob du nun für einen stummen Zeugen schreibst, eine verstorbene Liebe oder eine verstorbene Katze.

derStandard.at: Wie haben Ihre Freunde auf Ihre Bücher reagiert?

Friedman: Die meisten waren sehr angetan. Sie waren für eine Weile kleine Celebritys und werden es vielleicht wieder einmal sein.

derStandard.at: Aber Sie haben doch den "Kinkster" in Ihrem Krimi "Ten Little New Yorkers" umgebracht.

Friedman: Nun ja, Conan Doyle hat Sherlock Holmes umgebracht und ihn zurückgeholt. Ich warte auf die Literaturwelt, die nach einer Rückkehr schreit. (Karl Gedlicka, derStandard.at, 8.5.2013)