Ulrike Halbritter ist Coach mit Leidenschaft: "Da kommt so viel Freude, Liebe und Lachen in die Welt, das ist eine ungeheure Bereicherung".

Foto: cathrine stukhard

Es muss nicht unbedingt die große Lebenskrise ausgebrochen sein, wenn Menschen Unterstützung bei Ulrike Halbritter suchen. Manche sind schlicht und einfach mit ihrer Situation unzufrieden, ob in der Arbeit, in ihren Beziehungen oder in einem anderen Bereich ihres Lebens.

Verlust an Lebensenergie

"Viele spüren, dass es außerhalb ihres Alltags noch etwas gibt, das nach Verwirklichung drängt", berichtet Ulrike Halbritter, die sich vor sieben Jahren als Coach, Trainerin, Lebens-, Sozial- und Unternehmensberaterin selbständig gemacht hat. Das können (noch nicht) realisierte Wünsche genauso sein wie ungelebte Potenziale. "Manches tragen wir seit unserer Kindheit in uns, als wir noch wussten, wer wir sind und was wir einmal werden wollen. Bis wir uns Jahre später in Positionen wiederfinden, in denen wir vielleicht niemals hätten sein wollen". Der Frust und damit einhergehend der Verlust an Lebensenergie kommen dann früher oder später bei Fuß, weiß der Coach. Doch die Enttäuschung sei zugleich eine große Chance, daraus den Mut für Veränderung zu ziehen.

Das "Eingewickelte" auswickeln und entwickeln

Dass es möglich ist, weiß Halbritter aus eigener Erfahrung. "Uli, jetzt bist du ausgewickelt, jetzt ist der Zustand erreicht, wo du, dein ganzes Wesen, so wie du nun mal bist, voll und ganz im Leben ist", konnte sie eines Tages zu sich selber sagen. In diesem Zustand hatte sie das Gefühl, dass alle Schichten ihres bisherigen Lebens, in die sie "eingewickelt" war, von ihr abgefallen waren: das Erlernte und Erzwungene, die Prägungen ihrer Kindheit und des Erwachsenwerdens, das sie scheinbar Starkmachende, das Besserwissen, die gesamte Palette von "Uli kann alles und weiß alles". "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich ganz frei gefühlt", schildert Halbritter ihren damaligen Zustand.

Niemand sei aber davor gefeit, sich wieder "einwickeln" zu lassen. "Es könnte immer wieder sein, dass ich mir die Rolle der scheinbar Wissenden und des ‚tollen' Coachs überstreife", so Halbritter. Daher mache sie sich immer wieder bewusst, dass ihre KlientInnen sich im Wesentlichen selbst entwickeln, und sie als "Menschen-Entwicklerin" lediglich "Anstupserin" und Unterstützende ist. Aus dieser Begleitung schöpft sie "große Zufriedenheit und Freude. Das ist für mich mehr als nur ein Beruf".

Werdegang

Der ursprünglich gar nicht geplant war. Denn nach ihrem Studium der Philosophie und Geschichte landete sie zuerst im Kulturbereich. Rückblickend hatte sie zwar schon damals großes Interesse an den Zusammenhängen von Psyche und System, Sozialisation und Individuation, sah es jedoch mehr als privates Hobby, denn als möglichen Beruf mit Berufung. 15 Jahre lang war sie für nationale und internationale Film- und Fernsehfirmen sowie verschiedene Kunstprojekte tätig und baute sich eine Karriere im Bereich Produktion auf, von der Assistentin bis zur Produktionsleiterin. Später machte sie sich mit dem Einzelunternehmen "die agentin – wien" selbständig und begleitete viele kleinere und große Projekte.

Vom Beruf zur Berufung

Obwohl Ulrike Halbritter in diesem Umfeld viele ihrer Fähigkeiten einsetzen konnte, "das Organisieren, das Jonglieren unterschiedlichster Interessen im Dienste des gesamten Projektes, Menschenführung, Teamgeist usw.", und sie sehr gerne in den Bereichen Film, TV und Kultur arbeitete, kam ihr privates Leben viel zu kurz. "Während eines Projektes stand die Arbeit über viele Monate an erster Stelle", erzählt sie. 80 bis 100-Stunden-Wochen waren nicht selten, Beziehung, FreundInnen, Familie, Erholung und Sport blieben dabei auf der Strecke. "Die Unzufriedenheit ließ nicht lange auf sich warten, denn schon vor Ende eines Auftrags begann der Stress um die Akquise eines neuen," so Halbritter.

Schon damals dachte sie öfter übers Aussteigen nach, war aber immer wieder geblieben, bis es wirklich zu viel war. Sie ließ sich über sieben Jahre hindurch berufsbegleitend ausbilden, was den Stress nicht gerade reduzierte. Doch die vielen Fortbildungen erwiesen sich gewissermaßen als Rettungsanker. "Ich brauchte etwas, um meine Batterien wieder aufzuladen, ich wollte mir selbst Coach sein und mich in meiner beruflichen Situation begleiten", berichtet die 46-Jährige. Gleichzeitig wollte sie etwas Neues lernen, um es für ihre Arbeit und im Privaten umzusetzen – und war begeistert.

Ans Aus- und Umsteigen dachte sie vorläufig noch immer nicht. Erst ein Anstoß von außen in Form einer beruflichen Enttäuschung brachte den Stein ins Rollen. Dass ihr auf diese Weise die Entscheidung abgenommen wurde, "war fast erlösend für mich. Jetzt konnte ich mich ganz auf das einlassen, was schon lange mein Wunsch war: Menschen in ihren ganz persönlichen Prozessen zu begleiten".

"Mit viel Herz, Hirn und Humor"

Die Techniken, welche die gebürtige Wienerin dafür anwendet, sind ein lösungs- und ressourcenorientierter Mix mit dem Fokus auf die sogenannte "Future"-Methode. Diese integriert  drei Ansätze zu einem neuen Ganzen: den individuellen auf Basis der humanistischen Psychologie, den systemischen und den Managementansatz. Im Zentrum stehen die ganz speziellen Fähigkeiten und Begabungen der KlientInnen, betont Halbritter. Denn nur durch individuelles Eingehen auf die spezifische Situation der Person, ihre persönliche Geschichte mit all ihren Prägungen könnten alte, nicht mehr passende Handlungsmuster aufgespürt und das ursprüngliche Wesen erkannt werden.

"Die meisten von uns mussten schon sehr früh erfahren, dass so wie sie nun mal sind, es nicht okay ist", berichtet Ulrike Halbritter. Bei diesem Bruch in der kindlichen, magischen Welt, „in dem wir 'normgerecht' gemacht wurden", gelte es anzusetzen, um die unterdrückten Potenziale zu befreien. Wenn dann noch zwei wesentliche Kriterien erfüllt werden – die Vermittlung sofort anwendbarer Instrumente zur eigenen kreativen Umsetzung und eine offene, wertschätzende Atmosphäre "mit viel Herz, Hirn und Humor" – sei der Erfolg garantiert.

Besonders mit Humor. Denn ernst und stocksteif verläuft ein Coaching bei Uli Halbritter nie. Zum einen, weil sie selbst gerne und viel lacht und zum anderen, weil das Schwere dann leicht werde "und leicht ist, was gut ist", sagt sie – und lacht.

Wenn Ulrike Halbritter in der Arbeit mit ihren KlientInnen erleben darf, wie sie ihre Lebensgeschichten "auswickeln" und ihr eigenes Selbst "entpuppen", erfüllt sie das zutiefst: "Da kommt so viel Freude, Liebe und Lachen in die Welt, das ist eine ungeheure Bereicherung", sagt sie und strahlt. (Dagmar Buchta, dieStandard.at, 8.5.2013)