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Die Erzvorkommen im Berg Luossavaara sind weitgehend erschöpft. Hierher soll die Stadt Kiruna siedeln und in Zukunft Ruhe finden.

Foto: Macduff Everton/Science Faction/Corbis

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Flug von Wien nach Stockholm zum Beispiel mit Austrian, dann mit SAS weiter nach Kiruna. Ein Mietwagen ist vor Ort nicht erforderlich, man kommt am besten mit regionalen Verkehrsmitteln weiter. Am besten reist man allerdings erst ab Juni, dann ist die lokale Infrastruktur wie unter anderem der Flughafenbus im Vollbetrieb. Für kurze Strecken ist der Kiruna-Taxi-Service praktisch. Eine interessante Alternative ist die Anreise von Stockholm mit dem Zug (Abfahrt am Nachmittag, Ankunft am Vormittag); auch die Weiterfahrt von Kiruna in Richtung Narvik mit der Erzbahn ist landschaftlich lohnend.

Auskunft: www.sj.se

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Die bekannteste Unterkunft in Kiruna ist freilich das Eishotel. Mittlerweile gibt es davon sogar eine Sommerversion, die für drei Wochen im August zum Mittsommer aufgebaut wird und auf 120 Quadratmetern zwei Suiten und eine Eisbar anbieten kann. Das gesamte Angebot an Unterkünften ist aber überraschend groß: Neben weiteren Hotels findet man dort eine Jugendherberge, einen Campingplatz, zahlreiche Hütten und Frühstückspensionen sowie Camps in der Wildnis; Letztere nur für längere Aufenthaltsdauer. Das Gesamtverzeichnis der Beherbungsbetriebe listet die örtliche Tourismusverwaltung unter: www.kirunalapland.se

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Keine Frage: Nach Kiruna kommt man nicht der Altstadt wegen. Die wahre Attraktion ist die Tundra, in der die Stadt liegt und die wird wandernd, fischend, mit dem Pferd, dem Rentier oder einem Husky-Schlitten erkundet. Die Agentur Kiruna Guidetur hat sich auf diese Angebote spezialisiert, die vor Ort gebucht werden können oder bereits vorab als komplettes Reisepaket - Info: www.kirunaguidetur.com

Auch Schwedens offizielle Stelle für Tourismus und Reiseinformationen hat hilfreiche Informationen für die gesamte Region parat - etwa wenn man sich individuell im sehenswerten Abisko-Nationalpark bewegen will: www.visitsweden.com

Dass sie schön sei, wird niemand behaupten können, doch faszinierend ist sie, die größte Stadt der Erde. Nicht von Mexiko-Stadt ist die Rede und nicht von Schanghai, sondern von der Stadt "Schneehuhn". Das ist die deutsche Übersetzung für das samische Wort Kiruna. Kiruna liegt in Nordschweden, gut 140 Kilometer nördlich des Polarkreises, und ist flächenmäßig die größte Stadt der Erde.

Rund 20.000 Quadratkilometer bedeckt ihr Stadtgebiet. Damit ist sie immerhin fast halb so groß wie die Schweiz. Doch hier leben nur 30.000 Menschen, und die Ausdehnung ist beileibe nicht das einzig Besondere an der Stadt, in der es im Sommer nicht dunkel und im Winter nie hell wird. Fast alle Bewohner leben in Kiruna-C, dem Stadtzentrum, der Rest verteilt sich auf ein Dutzend oft winziger Orte, die zum Teil schon seit Jahrhunderten bestehen und die bis zu 170 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen. Dabei sind nur 70 Prozent der Einwohner Schweden, 20 Prozent sind Finnen, zehn Prozent Samen. Folglich gibt es auch drei Amtssprachen: Schwedisch, Finnisch und Samisch.

Bedrohte Art mit neuem Revier

Noch mehr Besonderheiten? Gewiss. Dieses Schneehuhn gehört zu einer bedrohten Art, die so oder so selten ist: zu den Megacitys, die umziehen müssen. Schon seit Jahren ist das in Kiruna Thema, weil die von einem gigantischen Erzbergwerk unterminierte Stadt zu versinken droht. Unmittelbar vor Ostern hat der Gemeinderat nun endgültig beschlossen, das alte Kiruna rund sieben Kilometer nordwestlich am Hang des Berges Luossavaara neu aufzubauen. Schon in diesem Jahr sollen die ersten Bewohner aus ihren Häusern ausziehen.

Erica Carlsson, Tourismuschefin in Schneehuhn, erzählt derweil aber noch lieber von der Stadt, wie sie sie schätzen gelernt hat: "Seit der schwedischen Kommunalreform in den 1970er-Jahren ist Kiruna nicht mehr Stadt, sondern Kommune." Das hindert sie aber nicht, im nächsten Satz vom schönsten "Stadtberg" zu sprechen. Damit meint sie keineswegs den Kirunavaara, zu dessen Füßen sich die Stadt seit 1900 planmäßig entwickelt hat, sondern die Kebnekaise. Das ist ein 2117 Meter hohes vergletschertes Gebirgsmassiv und Schwedens höchster Berg, der ebenso im Stadtgebiet dieser seltsamen Siedlung am Rande der Arktis liegt wie zwei ausgewachsene Nationalparks: der Abisko-Nationalpark, der für Touristen hervorragend erschlossen ist, und der Vadvedjokka-Nationalpark in der unwegsamen nordischen Wildnis.

Der Frage nach den auf dem riesigen Stadtgebiet frei lebenden Bären und Wölfen weicht Carlsson aus. Wie andere Gesprächspartner in Kiruna hält sie deren Existenz ebenso wenig für den Tourismus förderlich wie den Bergbau. Stattdessen verweist sie auf die vielen Rentierherden, denen man bei Streifzügen in Kiruna begegnen kann. "Manche der kleinen Dörfer sind aus sommerlichen Samenlagern hervorgegangen", sagt sie.

Einer der größten Seen Schwedens, der Torneträsk, liegt zur Gänze im Stadtgebiet Kirunas, das bei Treriksröset, dem Dreiländereck, sowohl an Norwegen als auch an Finnland grenzt. Dieser 70 Kilometer lange See ist nur einer von rund 6000 (!) auf dem Stadtgebiet, über dessen Territorium die nördlichste elektrifizierte Eisenbahnlinie der Welt verläuft: die Lapplandbahn von Narvik nach Luleå am Bottnischen Meerbusen.

Dass es diese Eisenbahn wie auch die Stadt Kiruna überhaupt gibt, ist nur dem Inhalt des Kirunavaara zu verdanken. Der besteht nämlich aus hochwertigem Eisenerz, dessen voller Umfang bis heute unerforscht ist, allerdings als das größte weltweit eingeschätzt wird. Bekannt war dieses Erzverkommen bereits im 17. Jahrhundert. Seitdem wurde immer wieder ein Abbau versucht, doch erst Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Ingenieure und Bergleute den Schatz Lapplands auszubeuten. 1900 wurde mit der Anlage von Kiruna begonnen. Als Musterstadt entworfen und gebaut, ganz auf die extremen Klimaverhältnisse hier nördlich des Polarkreises zugeschnitten.

Das war just in der Zeit, als Schwedens berühmte Selma Lagerlöf ihren Nils Holgersson mit den Wildgänsen nach Lappland kommen ließ. "Auf dem linken Ufer des Luossajaure, eines kleinen Sees, ragte ein gewaltiger Berg auf, der der Sage nach aus lauter Eisenerz bestehen soll", schrieb Selma Lagerlöf damals. "Zu diesem Berg hinauf wurde eben die Eisenbahn weitergeführt, und in der Nähe von Kirunavaara baute man eifrig einen Bahnhof ..."

Bis in die 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde das Erz in Kiruna im größten Tagebau der Erde abgebaut. Inzwischen ist dieser Tagebau stillgelegt, Kirunas Erz wird nur noch unter Tage in der größten Erzgrube der Welt gefördert. Bis zu einem Kilometer tief unter die Erdoberfläche ist der Abbau bisher vorgedrungen. Ein gut ausgebautes Straßennetz von 400 Kilometern Länge durchzieht das Innere des Kirunavaara. Busexkursionen in den Erzberg gehören zu den ungewöhnlichsten Attraktionen der Stadt.

Konjunkturell bedingt ging die Erzförderung in den 1960er-Jahren zurück, doch man stellte sich rechtzeitig und geschickt um in Kiruna: Raumfahrt, Forschung und Computerwesen prägen heute entscheidend das Bild der Stadt, deren Bahnhof vor einigen Jahrzehnten noch fast ausnahmslos von der dichten Folge der immer vorfahrtberechtigten Erzzüge geprägt war. "Framtidsstad Kiruna", Zukunftsstadt Kiruna, steht heute unübersehbar zur Begrüßung am Stadtrand. Ja, sie hat eine Zukunft - nur wohl nicht an diesen Standort.

Zunehmend interessant wurde die Region auch als Touristenziel. Doch Erica Carlsson sieht zwei Vorurteile, die die Entwicklung immer wieder hemmten. "Dunkelheit und Kälte werden mit dem Namen unserer Stadt assoziiert", bedauert sie. "Beides ist unbegründet. Zwei volle Monate im Jahr scheint die Sonne ununterbrochen Tag und Nacht, und weitere fünf Monate gibt es in Kiruna mehr Licht und Sonne als in Stockholm. In den Wintermonaten, wenn die Sonne unterm Horizont bleibt, herrscht das blaue Licht, das durch die Brechung der Strahlen, die selbst unsichtbar bleiben, verursacht wird. Aber dieses Licht strahlt heller, als mancher erwartet."

"Was die Kälte angeht", hier wird sie geradezu energisch, "die Temperaturen sinken in der Stadt selten unter minus 20 Grad. Die werden dank der trockenen Luft wie minus fünf Grad in Stockholm empfunden. Tatsächlich liegt der Rombaksfjord beim norwegischen Narvik, der vom Golfstrom beeinflusst wird, nur rund sechs Kilometer vom westlichen Stadtrand bei Riksgränsen entfernt. Bei starkem Westwind bekommen wir in Kiruna-C sogar Salzspritzer vom Atlantikwasser mit", setzt sie geradezu triumphierend hinzu.

Kirunas samische Traditionen sind nicht zu übersehen: Selbst die Türgriffe des Rathausportals wurden samischen Zaubertrommeln nachempfunden. Und dann ist da das große Relief im Inneren des 1963 gebauten und 1964 zum schönsten öffentlichen Gebäude Schwedens gewählten Rathauses. Es zeigt Figuren der Zaubertrommel, die aus Birkenholz und Rentierknochen geschnitzt wurden. Unübersehbar ist auch die Kirche der Zentralstadt, die eine Samenkohte, also das traditionelle Zelt, verkörpert.

Der Kampf des Dorfpfarrers

Kirunas interessanteste Kirche steht aber im 20 Kilometer vom Zentrum entfernten Dorf Jukkasjärvi, in dem heute noch überwiegend Samen als Rentierzüchter leben. Die kleine, aus dem 17. Jahrhundert stammende Kirche bekam 1958 ein buntes Altarbild, auf dem der Künstler den Kampf des Dorfpfarrers Lars Levi Laestadius gegen den Alkohol verewigte.

Nicht weit von Jukkasjärvi entfernt wird seit Jahrzehnten an der Erforschung des Polarlichtes, der Aurora borealis, gearbeitet. Die klare, trockene Luft bietet dafür hervorragende Bedingungen. Und im nahen Salmijärvi - auch das ein Stadtteil von Kiruna - kontrolliert eine Station der Europäischen Weltraumagentur hier gestartete zivile Satelliten.

Doch auch Kirunas Erz ist wieder gefragt. Das Fördervolumen hat sich seit 1980 annähernd verdreifacht, und der fortschreitende Erzabbau macht es nun wohl endgültig erforderlich, das 110-jährige Stadtzentrum von Kiruna zu verlegen. Je mehr Erz aus dem Boden unter der Stadt abgebaut wird, um so stärker werden die Risse im Boden bemerkbar.

Die Planungen für die von der Verwaltung "Gemeindewandel" genannte Verlegung der Stadt folgen bereits einem klaren Fahrplan: Zuerst soll der Bahnhof abgebaut und verlegt werden, wahrscheinlich schon in einem halben Jahr. Etwas später wird das Museum folgen, danach das Rathaus. Nur die zentrale Kirche, die auf vielen schwedischen Briefmarken zu sehen ist, darf noch etwas länger stehen bleiben, vermutlich bis 2030. Es wird Jahrzehnte dauern, bis es das Schneehuhn wieder gemütlich hat in der Tundra. (Christoph Wendt, DER STANDARD, Album, 4.6.2013)