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Musikalische Erinnerungen an eine Epoche der jazzigen Hymnik: Saxofonist Pharoah Sanders.

Foto: EPA/PAWEL SUPERNAK

Im Quartett erinnerte er an jene Zeit, da er an der Seite von John Coltrane an hitzigen Innovationen mitwirkte.

Wien - John Coltrane ist zwar 1967 in New York gestorben. Als musikalisch dahingeschieden wird man den Jazzerneuerer allerdings erst bezeichnen können, wenn Tenorsaxofonist Pharoah Sanders seinen ultimativ letzten Ton gehaucht haben wird. Sanders, Jahrgang 1940, ist weitaus mehr als nur der mittlerweile abgeklärte Vertreter der (Generationen von Instrumentalisten nachhaltig prägenden) Coltrane-Schule.

Selbige hat in den 1960ern die Form einer modalen, also harmonisch sparsamen, jedoch ekstatisch um ein Riff herumtobenden Improvisationskunst angenommen, in der afrikanische und orientalische Elemente Einzug hielten (etwa nachzuhören bei Coltranes A Love Supreme).

John Coltrane holte ihn

Und eben in diesen späten 1960ern hat Tenor- und Sopransaxofonist Coltrane den Instrumentalkollegen Sanders in seine Band integriert, worauf zwei Saxofonisten munter dialogisierend am Abheben in hymnisch-freejazzige Bereiche arbeiteten.

Sanders war kein Schüler. Vielmehr kommt ihm, der schon zuvor in der New Yorker Free-Szene Leute wie Sun Ra und Trompeter Don Cherry traf, die Rolle eines Zeitzeugen und teilnehmenden Mitgestalters zu, der das Potenzial wie auch die Legitimation hatte, einen Stil lebendig zu halten. Wichtig: dies auch Kraft seiner substanzvollen Spielweise und nicht nur ob seiner Installation als Nachlassverwalter Coltranes.

Im Porgy & Bess wirkt der Mann aus Little Rock (Arkansas) im Quartett (Pianist William Henderson, Bassist Oli Hayhurst und Schlagzeuger Gene Calderazzo) gesundheitlich und damit kräftemäßig zwar nicht ganz auf der Höhe. Aber letztlich ist der Personalstil zugegen; Charakter wie Individualität sind keine Frage der Tagesform.

Und: Das friedfertige, idyllisch angehauchte instrumentale Fantasieren, umgarnt und angeschubst von harfenartig eingesetztem Klavier, ist ohnedies ein signifikanter Aspekt dieses spirituell inspirierten Musikkosmos, in dem es keine Uhren gibt. Schließlich ist Zeit das zugunsten eines Zustands Auszuschaltende.

Sanftes Brodeln

Hier etabliert die Band also vor allem einen sanft schwebenden Klangraum, in dem Sanders instrumental nach Belieben "singen" kann. Nebst simplen Phrasen ist auch ein zwar fragil daherkommendes, jedoch mit flotten Linien arbeitendes Element zu vernehmen - auch enigmatisch-magische Soundspiele. Man hört also zwar nicht die ganze Bandbreite der Intensität, aber doch jene des Ausdrucks.

Und wenn Sanders vokal The Creator Has A Masterplan anstimmt, jenes Stück aus seinem 1969er-Album Karma, dann vermisst man das extrem vitale Element des Spiels nicht mehr wirklich. Die Aura des Originals ist auch eine Form von Energie. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 6.5.2013)