Ich hätte als französischer Staatsbürger nicht für Francois Hollande gestimmt. Sowohl vom Programm als von seiner Persönlichkeit her habe ich Nicolas Sarkozy trotz aller seiner ausgeprägten Schwächen als Krisenmanager besser geeignet.

Aber nach einem  Jahr im Amt und angesichts der niedrigsten Zustimmungswerte, die je ein französischer Staatschef vorweisen konnte, ist der Zeitpunkt gekommen, um den Mann im Elysee-Palast zu verteidigen: Hollande macht seine Arbeit nicht so schlecht.  

An den wirtschaftlichen Problemen des Landes trägt Hollande selbst wenig Schuld, die sind die Folge von jahrelangen, ja jahrzehntelangen verschleppten Strukturreformen. 

Hollande ist gefangen zwischen den wirtschaftlichen Realitäten  und seinen utopischen Wahlversprechen;  da kann er nur lavieren und dabei alle Seiten enttäuschen. Aber das macht er eigentlich ganz geschickt, versucht, doch einige Versprechen zu erfüllen, ohne allzu viel Schaden anzurichten.

Die Wiederabsenkung des Pensionsalters war ein absurdes politisches Signal, die 75-Prozent-Steuer auf hohe Einkommen ist konterproduktiv. Aber die konkreten Auswirkungen beider Maßnahmen   halten sich in Grenzen; der Schaden ist eher symbolischer Natur.

Dafür nimmt es die Regierung mit der Budgetsanierung wirklich ernst, auch wenn angesichts der Konjunkturschwäche dies sich nicht in niedrigeren Defiziten niederschlägt. Deshalb erhält Frankreich auch von der EU-Kommission mehr Zeit  - letztlich ein Vertrauenssignal.

Die massiven Proteste der Linken und der Gewerkschaften gegen Hollandes Politik machen deutlich, wie gering sein Spielraum hier ist – und wie weit er sich bereits hinausgelehnt hat.

Das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland ist belastet, aber daran trägt auch Angela Merkels unkluger Einsatz für Sarkozy vor einem Jahr Verantwortung. Und Hollande und sein Wirtschaftsminister Pierre Moscovici zündeln möglichst wenig und halten auch den linken Flügel der Sozialisten in Schach. Die deutsch-französische Achse wird auch diese Krise überstehen.

In der Außenpolitik hat Hollande mit dem Militäreinsatz in Mali Führungsstärke, Mut und offenbar auch ein gutes Urteilsvermögen bewiesen. Nun ist Außenpolitik das Gebiet, in dem sich französische Präsidenten traditionell am leichtesten tun. Auch Sarkozy hat in Libyen politische Punkte sammeln können. Dennoch – das Bild des ewigen Zauderers hat Hollande hier für einen Moment abschütteln können.

Wo Hollande am wenigsten geleistet hat, ist bei den in Frankreich so dringend notwendigen Reformen, vor allem im Arbeitsmarkt. Aber hier wäre der Widerstand auch besonders stark, wie es seine Vorgänger Jacques Chirac und Sarkozy bereits erlebt haben. Allerdings muss Frankreich hier viel mehr tun, um aus der wirtschaftlichen Stagnation herausfinden.

Das beste an der jetzigen Krise, sowohl den schlechten Wirtschaftszahlen als auch den Umfragewerten ist, dass sie Hollande vielleicht dazu bringt, so einst wie Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 einen großen Schritt zu wagen. Er selbst hätte dabei nicht viel zu verlieren, und die Bevölkerung wird angesichts der Misere Veränderungen eher mittragen als in früheren Jahren, als man noch glauben konnte, dass Frankreich einfach so weitermachen könne wie bisher.

Als Linker ist Holland etwas besser positioniert, einen breiten Konsens für Reformen zu schaffen, als es der stets polarisierende Sarkozy war. Dafür aber muss er etwas mehr Entschlossenheit zeigen und bereit sein, den Wählern harte Wahrheiten ins Gesicht zu sagen.

Dass die Sozialisten die nächsten Parlamentswahlen in drei Jahren wieder gewinnen, ist kaum zu erwarten. Zu hoffen ist nur, dass sich das konservative Lager erholt und das Feld nicht dem Front National von Marine Le Pen überlässt.

Aber genauso ist es in den achtziger Jahren Francois Mitterrand geworden. Erst in der Cohabitation mit dem konservativen Premier Chirac wurde er zu jenem populären Landesvater, der dann die Wiederwahl schaffte.

Hollande hat selbst noch einige Jahre Zeit. Er hat die richtigen Berater um sich und versteht die Probleme seines Landes. Die einfache Lösung für die Überwindung der verkrusteten wirtschaftlichen Strukturen in Frankreich hätte auch kein anderer gefunden.  

Die Erwartungen der Franzosen an ihren Präsidenten sind unrealistisch und selbst ein Symptom für all das, woran Frankreich leidet. Hollande verdient es nicht, nach einem Jahr so abgeschrieben zu werden.