Manuela Vollmann ist Geschäftsführerin des abz*austria. Die Non-Profit-Frauenorganisation wurde 1992 in Wien gegründet, um die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt voranzutreiben.

Foto: abz austria/Anna Rauchenberger

derStandard.at: Vor 21 Jahren haben Sie mit Initiativen für Wiedereinsteigerinnen, dann mit Karenzzeitenmanagement das Vereinbarkeitsthema in die Unternehmenswirklichkeit gebracht. Sehen Sie Fortschritte?

Vollmann: Ja, es gibt Fortschritte zur Vereinbarkeit von Beruf und Kindern. Unternehmen haben erkannt, dass das ein Managementthema ist, haben erkannt, dass sie ihre Strukturen anpassen müssen, statt Frauen nur zu sagen, sie müssten sich weiterbilden, um nach einer Kinderpause erfolgreich wieder einsteigen zu können. Was noch nicht alle erkannt haben, ist, dass es sich nicht um ein Frauenthema handelt, sondern dass es auch um Männer geht.

derStandard.at: Väterkarenz ist aber noch nicht wirklich modern. Das von Ihnen geforderte einkommensabhängige Kindergeld hat auch nicht die große Zunahme an Väterkarenzen gebracht. Im Durchschnitt liegen wir noch knapp bei fünf Prozent.

Vollmann: Stimmt, es geht langsam. Aber es gibt gute Beispiele, es gibt Firmen, die Karenz für Eltern so ermöglichen, dass alle Beteiligten profitieren können. Dort, wo via Auszeitenmanagement standardisierte Routineabläufe installiert sind, kann darauf aufgesetzt individuell auf die Bedürfnisse eingegangen werden. Motivation und Engagement sind dann keine Problemfragestellungen mehr.

derStandard.at: Wie kann mehr Schwung in die Vereinbarkeitsthematik auch für Männer kommen?

Vollmann: Wir brauchen quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung, auch der Betreuung für Schulkinder, es geht ja nicht nur um die Kindergartenkinder. Dazu gehört - und das ist mir wichtig - neben pädagogischer Hochwertigkeit auch qualitätsvolles Essen für die Kinder.

derStandard.at: Das gesellschaftliche Bild, die Stereotype von der Mama, die für die Kinder zuständig ist und vom Papa, der die Beute nach Hause bringt, ist noch immer da.

Vollmann: Ja, weil es zum Brechen dieser Stereotype ein Zusammenspiel braucht von Bildung, Infrastruktur und den entsprechenden Strukturen in Unternehmen. Die sind da aber schon relativ weit im Vergleich zu anderen Mitspielern.

derStandard.at: Was ist der nächste Schritt?

Vollmann: Wir haben jetzt genug Qualifizierungsprogramme, genug Instrumente wie Mentoring und so weiter. Die Jungen sind wach, da sehen auch die Männer ihre Rollen ganz anders. Was wir jetzt brauchen, ist Bewusstseinsbildung, Coaching für die Führungskräfte in der Funktion. Denn Chefs, die nicht wissen, wie das zuhause läuft, die tun sich auch sehr schwer, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu verstehen. Ich meine nicht, dass wir Frauen individuell jetzt die Welt erklären, ich meine strukturierte Programme. Wir können nicht auf die nächste Generation Führungskräfte warten.

derStandard.at: Zu diesen Bedürfnissen gehört ja auch, sich um Angehörige im Pflegefall zu kümmern, wie Studien zeigen.

Vollmann: Den Unternehmen ist gar nicht bewusst, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angehörige, Ältere, pflegen. Fast acht Prozent der 15- bis 64-Jährigen sind in dieser Situation, und das wird zunehmen. Die Ermöglichung von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit sind da nun ein erster Schritt im Bewusstsein. Über Kinder darf man mittlerweile reden, das war früher auch nicht so, Altenpflege ist noch ziemlich tabuisiert. Der Vereinbarkeitsbegriff braucht eine Erweiterung, es geht nicht nur um Kinder, es geht um den Care-Zugang. Unternehmen sind da gut beraten, sich strukturiert aufzustellen mit Auszeitenmanagement und nicht auf Gesetze zu warten. Oft sind es ja nur kleine Hebel, die aber sehr mächtig sind, auch was die Attraktivität als Arbeitgeber betrifft.

derStandard.at: Dieses sozusagen Recht auf Vereinbarkeit – gilt es auch für alle, die Sport, privaten Spaß mit den Jobagenden solcherart vereinbaren wollen?

Vollmann: Sicher. Wir brauchen massive gesundheitsfördernde Maßnahmen in den Unternehmen. Und das ist nicht nur der Apfel am Gang. Ich sage nicht gern "Work-Life-Balance", aber wir brauchen Balance. Bildung ist dabei ein wichtiger Faktor – und da geht es nicht nur ums Kursemachen, sondern auch um zivilgesellschaftliches Engagement und um Voneinanderlernen. Das gibt Kraft und Motivation und ist wichtig für den Zusammenhalt. Vorbilder dafür müssen auch auf den obersten Führungsebenen verankert sein. "Top-Sharing", also Führung in Teilzeit, spielt da als sehr mächtiges Instrument hinein. Wir alle haben nun einmal Lebensphasen mit unterschiedlichen Ansprüchen und Wünschen, dem sollen Unternehmen vertikal und horizontal enstprechen, um Ausgewogenheit für ihre Belegschaften zu ermöglichen, zu fördern. (Karin Bauer, derStandard.at, 5.5.2013)