"Ich wäre für den schnelleren Weg, aber der Koalitionspartner will das nicht", kritisiert Josef Ostermayer die ÖVP.

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Das Amtsgeheimnis spaltet die Regierung. Dass sich Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) bei der umstrittenen Pestiziddebatte auf die Amtsverschwiegenheit beruft, stößt bei Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) auf Unverständnis: Die Auskunft zu verweigern sei "nicht zeitgemäß", sagt er im STANDARD-Interview. Das ginge nur mit stichhaltiger Begründung, die "kann ich hier nicht erkennen". Ostermayer betont im Gespräch außerdem, dass das geplante Transparenzgesetz inklusive Aufhebung des Amtsgeheimnisses aufgrund von Wünschen der ÖVP nicht mehr in dieser Legislaturperiode fertig werde.

STANDARD: Umweltminister Berlakovich beruft sich bei der Auskunft über den Einsatz von Pestiziden auf das Amtsgeheimnis. Wie finden Sie das?

Ostermayer: Transparenz kann man jetzt auch schon üben, aber es zeigt, dass eine Umkehr des Prinzips - Recht auf Information statt Recht auf Verschwiegenheit - sinnvoll wäre. Dann müsste das Ministerium genau begründen, warum es die Auskunft verweigert.

STANDARD: Ist Berlakovichs Verhalten Ihrer Meinung nach zeitgemäß?

Ostermayer: Nein, zeitgemäß wäre eine Auskunftspflicht, die nur mit stichhaltiger Begründung verweigert werden darf. Die kann ich hier nicht erkennen.

STANDARD: Hat das plötzliche Interesse der Politik an mehr Transparenz etwas mit der Wahl zu tun?

Ostermayer: Nein. Hätte transparenz.at es schon vor einem Jahr thematisiert, wäre es genauso wichtig gewesen. Dass wir es nicht selbst zum Thema gemacht habe, liegt daran, dass wir an hundert anderen Punkten arbeiten.

STANDARD: Es scheint, am 1. Mai hat der Wahlkampf begonnen. Die Parteien haben sich kampfeslustiger gezeigt als sonst. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nennt das Team Stronach einen "alten Schas". Wird das das Niveau des Wahlkampfs?

Ostermayer: Von mir werden Sie eine solche Wortwahl nie hören. Der Wahlkampf wird erst ab August auf dem Höhepunkt sein. Dass an einem Tag wie dem 1. Mai gewisse Positionierungen stattfinden, ist klar. Aber etwa die Diskussion zu den Bienen und dem Pestizidverbot hat mit Wahlkampf nichts zu tun.

STANDARD: Sind die Bienen ein Zeichen dafür, dass man mit den Grünen gemeinsam Honig machen möchte?

Ostermayer: Wir haben etwa das Parteiengesetz mit den Grünen gemeinsam beschlossen. Bei anderen Themen habe ich versucht, auch mit anderen Parteien breite Mehrheiten zu finden. Seit viereinhalb Jahren arbeite ich in einer Zweierkoalition, und es gehört zu meinen Aufgaben, Lösungen zu finden. Das ist schon bei zwei Partnern schwierig, bei dreien wäre es sicher noch komplizierter.

STANDARD: Sie sind immer wieder als Minister im Gespräch gewesen. Könnten Sie sich vorstellen, Kanzler Werner Faymann nach der Wahl alleine zu lassen und ein Ministerium zu übernehmen?

Ostermayer: Bundeskanzler Faymann kann seinen Job auch ohne mich erfüllen. Aber ich habe nur einmal in meinem Leben einen Job angestrebt, das war, als ich mich bei der Mietervereinigung beworben habe. Danach sind mir die Jobs passiert.

STANDARD: Sie verhandeln für die SPÖ das Transparenzgesetz mit Sebastian Kurz. Im Sinne der Transparenz: Wer ist bei diesen Treffen noch dabei?

Ostermayer: Justizministerin, Beamtenministerin, Integrationsstaatssekretär und die Verfassungssprecher von ÖVP und SPÖ.

STANDARD: Keine Experten?

Ostermayer: Wir werden demnächst wieder ein Treffen machen, wo wir Experten wie Hubert Sickinger dazu laden. Die ÖVP will außerdem noch eine parlamentarische Enquete.

STANDARD: Vergangene Woche war die erste Verhandlungsrunde, Monate nach der Ankündigung. Was hat so lange gedauert?

Ostermayer: Es ist meistens zeitintensiv, sechs Leute an den Tisch zu bringen. Das waren Terminkoordinationsschwierigkeiten.

STANDARD: Wieso hat man die Möglichkeit einer öffentlichen Debatte nicht wahrgenommen?

Ostermayer: Ich hatte einen Termin mit Hubert Sickinger, Josef Barth und Alfred Noll, wo diskutiert wurde, was von internationalen Beispielen angewendet werden kann und was nicht. Man kann etwa das Hamburger Informationsfreiheitsgesetz nicht eins zu eins umlegen. In anderen Punkten sind wir weiter. Wichtig ist, das System umzudrehen: Recht auf Information statt Recht auf Verschwiegenheit. Ähnliche Vorschläge der SPÖ gab es beim Verfassungskonvent 2005, die von Schwarz-Blau abgelehnt wurden. Jetzt scheint es ein Zeitfenster zu geben.

STANDARD: Die ÖVP sagt, es passier auf ihre Initiative, umgekehrt die SPÖ. Was stimmt denn?

Ostermayer: Ich halte das für eine kleinliche Diskussion. Für mich war der Anstoß die Initiative transparenzgesetz.at. Direkt danach habe ich den Verfassungsdienst gebeten, dass er das prüft.

STANDARD: Wie stehen die Verhandlungen mit der ÖVP?

Ostermayer: Ich hätte gerne eine Lösung. Meine Erfahrung ist, dass es besser ist, den Verhandlungspartner währenddessen nicht zu überfordern. Vertraulichkeit ist wichtig. Aber es gibt noch Differenzen. Die Frage nach der Gerichtsbarkeit etwa oder ob es einen eigenen Informationsbeauftragten geben wird. Wir haben von der ÖVP eine Fragenliste bekommen. Etwa ob es eine bundesweite oder länderspezifische Lösung wird.

STANDARD: Was erneut eine gewisse Intransparenz brächte, oder?

Ostermayer: Wieso?

STANDARD: Weil etwa die Zuständigkeiten bei grenzübergreifenden Dingen verschwimmen.

Ostermayer: Es geht nicht darum, ein neues Feld des Föderalismus zu eröffnen. Ich traue uns als Bund nicht zu, dass wir alle Fragen der Länder kennen - etwa bei Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Es gibt viele Felder, wo man in Interessenkonflikte gerät, etwa Datenschutz und Redaktionsgeheimnis. Es gibt hier Unternehmen, die entweder im Eigentum oder zumindest nahe dem Staat stehen, wie der ORF und die "Wiener Zeitung".

STANDARD: Etwas, was der ÖVP in Ihrem Entwurf fehlt, ist die Einbeziehung von staatsnahen Betrieben. Sie haben argumentiert, das würde die Wettbewerbsfähigkeit einschränken. Aber was ist tatsächlich mit Unternehmen wie den Wiener Linien? Sehen Sie da Bedrohung durch Konkurrenz?

Ostermayer: Ich kann die Wiener Linien nicht in allen Details beurteilen. Aber es gibt andere Beispiele wie den Verbund. Das steht in Konkurrenz, wie auch die EVN. Da ist es relevant, was man offenlegt und was nicht.

STANDARD: Die ÖVP sagt, Korruption finde zu einem Gutteil bei staatseigenen Betrieben statt. Was sagen Sie?

Ostermayer: Das würde ich nicht unterschreiben. Aber das würde etwa auch die Telekom erfassen, die auch in Konkurrenz mit anderen Mobilfunkbetreibern steht. In der umfangreichen Frageliste, die ich vom Koalitionspartner bekommen habe, sehe ich, dass er bei manchen Punkten viel vorsichtiger ist, als es in der Öffentlichkeit kommuniziert wird.

STANDARD: Welche Punkte?

Ostermayer: Etwa Gerichtsbarkeit.

STANDARD: Sie sind überzeugt, dass sich das Gesetz in dieser Legislaturperiode noch ausgeht?

Ostermayer: Ich war davon überzeugt, aber das bin ich nicht mehr. Wenn die ÖVP auf der Enquete besteht, wird es sich nicht ausgehen.

STANDARD: Was ist wichtiger: dass es noch in dieser Periode beschlossen wird oder dass es ausführlich diskutiert wird, um einen Schnellschuss zu vermeiden?

Ostermayer: Es wäre möglich gewesen, es abzuhandeln, in Begutachtung zu schicken, Verbesserungsvorschläge einzuarbeiten und es rechtzeitig einzubringen. Ich wäre für den schnelleren Weg gewesen, aber der Koalitionspartner will das nicht, und somit wird es sich in dieser Periode nicht ausgehen. Sebastian Kurz hat zwar gesagt, er will das Paket auch, aber ohne auf nähere Details einzugehen. Mein Job ist es aber, die Mühen der Ebenen zu durchwandern. Mir wäre es wichtiger, in einzelnen Arbeitsgruppen die Dinge durchzugehen.

STANDARD: Haben Sie Vorbehalte gegen eine parlamentarische Enquete?

Ostermayer: Er betrifft ausschließlich die zeitliche Ebene, weil klar ist, dass sich dieses Gesetz so nicht mehr ausgeht. Ansonsten habe ich nichts gegen dieses parlamentarische Mittel. (Saskia Jungnikl/Rainer Schüller, DER STANDARD, 3.5.2013)