EZB-Chef Mario Draghi hat die Leitzinsen im Euroraum auf das niedrigste Niveau seit Bestehen der Gemeinschaftswährung gesenkt. Die Notenbank hat damit ihr schärfstes Schwert im Kampf gegen die Rezession gezückt. Doch in der Wirtschafts- und Schuldenkrise sei die Waffe stumpf geworden, sagen Kritiker der Zinssenkung. Ihr Argument: Das billige Geld erreicht wegen der Kreditklemme im Süden des Währungsraums die dortigen Mittelständler nicht, die es dringend benötigen. Zugleich wachse in manchen Ländern die Gefahr einer Immobilienblase.

Gewinner

  • Banken am Tropf der EZB:  Viele marode Banken von Griechenland bis Spanien hängen bereits am Tropf der EZB, da ihnen andere Institute am Markt kein Geld leihen. Nun können sie sich in Frankfurt noch günstiger zum Leitzins mit Liquidität eindecken. Doch die verschärften Anforderungen an Banken im Rahmen von Basel III - den neuen Kapitalvorschriften - könnten sie eher dazu verleiten, ihr Polster zu stärken anstatt großzügiger Unternehmenskredite auszureichen.
  • Exporteure: Die Exportwirtschaft der Eurozone könnte etwas Auftrieb erhalten. Denn der Wechselkurs des Euro wird durch die Zinssenkung tendenziell gedrückt und die Wettbewerbsposition der europäischen Firmen auf den Weltmärkten damit gestärkt. Zuletzt hat Japan mit einer aggressiven Geldpolitik den Yen auf Talfahrt geschickt.
  • Aktionäre: Auch den europäischen Aktienmärkten dürften niedrigere Zinsen Aufwind verschaffen, da andere Anlageklassen wegen der niedrigen Zinsen kaum Rendite abwerfen.
  • Immobilienbesitzer: Die niedrigen Zinsen werden die Flucht in das 'Betongold' voraussichtlich verstärken. Wer etwa Immobilien in Toplagen besitzt, kann auf Wertsteigerungen hoffen.
  • Der Bund: Das niedrige Zinsniveau sorgt dafür, dass sich wohl in Deutschland als auch in Österreich der Bund sich bereits jetzt so günstig verschulden können wie nie zuvor. Die geldpolitische Lockerung der EZB dürfte tendenziell weitere Entlastung bei der Refinanzierung bescheren.

Verlierer

  • Lebensversicherer und Pensionskassen: Diese Investoren stehen nach der Zinssenkung im Regen. Denn viele Pensionsfonds und Versicherer stecken einen Großteil ihrer Gelder in festverzinsliche Anlagen. Mit Bundesanleihen lassen sich aber nur noch sehr niedrige Renditen erzielen. Der Präsident des deutschen Versicherer-Verbandes GDV, Alexander Erdland, warnt vor negativen Folgen eines niedrigeren Leitzinses für die private Altersvorsorge: 2012 verzeichneten die Lebensversicherer seinen Angaben zufolge für ihre Kunden zinsbedingte Mindereinnahmen von vier Mrd. Euro.
  • Sparer: Die Einlagen auf den Sparkonten werfen künftig womöglich noch weniger ab. Liegt der gebotene Zins unter der Inflationsrate, wird ein Teil des auf dem Konto ruhenden Vermögens von der Geldentwertung aufgefressen. Dass es bei den Mini-Zinsen auf Sparbücher in den nächsten Tagen unmittelbar noch weiter bergab geht, zeichnet sich aber noch nicht ab. Die heimischen Institute verhalten sich nach eigenen Angaben abwartend, was die Einlagenverzinsung betrifft. In den meisten Fällen haben die ultratiefen Zinsen für die Sparer ohnehin schon längst zu realen Wertverlusten geführt. Bei den meisten Kundenkrediten spielt der Stichtag eines EZB-Zinsschritts kaum mehr eine Rolle. Hier gelten zum einen Zinsgleitklauseln und zum anderen der 3-Monats-Euribor als Referenzzinssatz. Der lag heute bei 0,2 Prozent. Spielraum nach unten sei da nicht mehr wirklich gegeben, so ein Banker. Mehr Gewicht werde bei der Kreditverzinsung der Bonität und dem Risiko beigemessen.(Reuters/APA, 2.5.2013)