Die New Yorker Band ...

Foto: Polydor/Universal

... und ihr neues Album "Mosquito".

Foto: Polydor/Universal

Karen O und ihre Band sind keine Arbeitsgemeinschaft, die sich darauf beschränkt, einen Dienst nach Vorschrift zu schieben. Alles in dieser Welt ist immer überreizt, am Limit, viel zu viel. Viervierteltakt, das ist der Weg, den sie Straße nennen. Gitarrensoli, konzipiert auf drei Minuten in zehn Sekunden, geht. Die Band kommt aus New York. Hier geht alles immer zack, zack, weg und hack. Emotionaler Ausnahmezustand, mehr so generell, ja. Normalzustand.

Nach ihren Anfängen im Spezialfach Rock and Roll und einer Traditionspflege im Bereich der heiligen Psychobilly-Altväterischen Cramps um Poison Ivy und Lux Interior lernte die quirlige New Yorkerin mit der sensiblen Kreissägenstimme zwar berühmte Kollegen kennen. Der Soundtrack zu "Wo die wilden Kerle wohnen" muss im konkreten Fall als geradezu beispielhaft angesehen werden: Kinderquatsch, den die 18-Jährigen sehr toll finden. Musikalisch allerdings wurde das ganze Unternehmen mit grundsätzlich minimalistischer Bass-Schlagzeug-Begleitung in der Gegenführung zu Karen Os weit wanderndem Gesang immer schlank am Ursprung der absoluten Grundakkord-Bedürfnislosigkeit gehalten.

Das macht fast gar nichts, vor allem nicht, wenn man sich nicht für Wahrhaftigkeit in diesem Bereich interessiert, weil ohnehin alles als Konstrukt daherkommt.

Unter der neuen Regie des Wunderwuzzis Dave Sitek, der mit TV On The Radio sensible, durchdachte Rockmusik für ein sehr gern mitdenkendes Spezialpublikum im Zeichen studentischer Anteilnahme schreibt (Die Talking Heads darf man in diesem Zusammenhang nicht erwähnen, tut es aber doch), liegt jetzt das neue Album der Woche vor. Eine Arbeit für alle, deren Leidensfähigkeit dem Covermotiv in Gestalt eines am Fuß aufgehängten Babys entspricht. Das dürfte zwar die sensibleren Gemüter im Kerngeschäft einer Heavy Rotation auf FM4 milde gesagt verunsichern. Dem künstlerischen Alleinstellungsmerkmal von The Yeah Yeah Yeahs wird es keinen Schaden zufügen.

Karen O singt von Schuld, Verbrechen, Einengung, Hochzeit, dummem Zeug in dummen Zeiten – und sie übt das mit sich überschlagender Kopfstimme und zünftigen Zickereien über gut abgehandelten Led-Zeppelin-Riffs für ganz, ganz eilige Berlin-Mitte-Bewohner sehr apart aus. "Uuuuhuh-uhhhhhuuuh-uh-hu-hu-hu. Blablabla-ich-bin-aliiiiiive!" Wahnsinnsmaterial für junge Leute, die den Alltag vergessen und auch einmal einen draufmachen wollen so wie in New York, Paris, Tokio.

Das ist die neue Selbstständigkeit. Sie schreit ihren Protest gegen die Nachkommenschaft größerer früherer Leute offen heraus.

Dave Sitek schafft den Raum, Karen O hält sich zurück. Es kiekst und jodelt zwar, dass einem mitunter beim Song Sacrilege ganz anders wird. Dazu trägt wohl auch ein zweckentfremdeter Gospelchor bei. Das restliche Betriebstempo dieser jederzeit wieder erkennenswerten Lieder bleibt aber erhalten.

The Yeah Yeah Yeahs werden mit ihren neuen Songs am Ende des Jahres auf keinen Fall in unsere Herzen eingegangen sein. Für eine nette Abwechslung sorgt das ganze Gewese aber trotzdem. Übrigens: Zwei Minuten von Roy Orbison ersparen den Arzt: "Wild Hearts". Nur so. Aber: genau so. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 3.5.2013)