In Westeuropa, wo man gern einmal Sofia und Skopje verwechselt und die Geografiekenntnisse hinter Budapest zu verschwimmen beginnen, kann man in diesen Wochen zwei wichtige Lehren aus Bulgarien (hinter Rumänien, über Griechenland und der Türkei) mitnehmen: Rigide Sparpolitik kann ins Aus führen; und ein EU-Beitritt macht noch keine demokratisch denkenden Politiker.

Bulgarien ist das erste EU-Land geworden, in dem die Regierung über eine einseitig verfolgte Austeritätspolitik gestolpert ist. Stoff zum Nachdenken in Berlin, Brüssel und bei der EZB in Frankfurt. Sechs Jahre EU-Mitgliedschaft haben in Bulgarien auch rechtsstaatliche Probleme nicht ausgemerzt, aber den Aufstieg neuer zweifelhafter Eliten befördert. Ein guter Tipp für die Beitrittsgespräche mit den neuen und künftigen EU-Kandidaten.

Der Abhörskandal, der den Wahlkampf für die vorgezogenen Parlamentswahlen in Bulgarien prägt, ist alles andere als neu für den Balkanstaat. Seilschaften aus den Jahrzehnten des Sozialismus haben sich bei Polizei, Geheimdienst und im Innenministerium mit den halbseidenen Cliquen der Kampfsport- und "Private Security"-Szene abgewechselt. Das Erschütternde, das aus den Abhörprotokollen der früheren Machthaber spricht, ist das endlos Vulgäre, ihr Zynismus, den kein Schimmer von Unrechtsbewusstsein trübt: Boiko Borissows Bulgarien wurde - oder wird vermutlich noch - wie eine private Sicherheitsfirma geführt. (Markus Bernath, DER STANDARD, 2.5.2013)