Wien - Bei der Vergabe von Fördermitteln für Forschungsprojekte hat das Geschlecht des Antragstellers anscheinend nur wenig Einfluss darauf, ob einem Wissenschafter bzw. einer Wissenschafterin die Mittel zuerkannt werden. In einer Metastudie fand der in der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft in München tätige Wissenschaftssoziologe Lutz Bornmann zwar einen signifikanten, aber geringen Effekt zugunsten männlicher Antragsteller. In einer Analyse der Förderentscheidungen des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF zeigte sich überhaupt kein Einfluss des Geschlechts des Antragstellers. Das erklärte Bornmann im Rahmen eines vom Arbeitsbereichs Bildungspsychologie der Universität Wien veranstalteten Vortrags.

Stichwort Peer Review

Eines der Themen, mit denen sich der Wissenschaftsforscher auseinandersetzt, ist die wissenschaftliche Qualitätssicherung. Dabei setzt die Wissenschaft bereits seit geraumer Zeit auf sogenannte Peer Review-Verfahren. Anträge für Projektförderungen, Stipendien oder Beiträge in Fachjournalen werden hier durch unabhängige Experten auf ihre wissenschaftliche Relevanz hin beurteilt. Auf diesen Einschätzungen beruhen Förderentscheidungen in hohem Maße.

Peer Review-Verfahren seien "das Rückgrat der modernen Wissenschaften", so Bornmann, die rasante Entwicklung in der Forschung wäre "ohne Peer Review nicht denkbar". Trotzdem gibt es immer wieder Kritik, was beispielsweise den hohen organisatorischen Aufwand, die Zeit, die für die Abwicklung des Verfahrens benötigt wird, oder die Fairness betrifft. Im Bezug auf die Fairness wurde der Einfluss des Geschlechts - der "Gender Bias" - am häufigsten untersucht.

Bornmann und Kollegen fassten 21 internationale Studien mit insgesamt etwa 350.000 Antragstellern aus den Jahren 1979 bis 2004 in einer Metastudie zusammen. Dabei zeigte sich, dass Männer in mit Peer Review-Verfahren durchgeführten Vergabeprozessen statistisch gesehen leicht bessere Chancen auf Bewilligung hatten, als Frauen. Unter 100.000 Förder- oder Stipendienanträgen entfielen 52 Prozent der Bewilligungen auf Männer und 48 Prozent auf Frauen: diesen Effekt bezeichnete der Experte als "nicht groß".

Geschlecht der Gutacher scheint doch eine Rolle zu spielen

Im vergangenen Jahr nahm der Wissenschaftsforscher auch die Förderentscheidungen des FWF unter die Lupe. Dazu untersuchte Bornmann fast 8.500 Anträge zwischen 1999 und 2009, die in fast 24.000 Gutachten bewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass die Entscheidungen des FWF gar nicht vom Geschlecht des Antragstellers abhingen.

Allerdings förderte die Untersuchung zutage, dass das Geschlecht der Gutachter eine Rolle spielen kann: Waren unter den zwei bis drei Gutachtern einer Gruppe gleich viele oder mehr Frauen als Männer, sank die Wahrscheinlichkeit auf Bewilligung um bis zu zehn Prozent. Am deutlichsten zeige sich dieser Effekt bei "mittelmäßig bewerteten Anträgen", so Bornmann. Darüber, wodurch dieser Effekt verursacht wird, könne man aufgrund der Datenlage aber nur spekulieren. Denkbar sei etwa, dass weibliche Gutachter als etwas weniger kompetent angesehen werden. Oder aber, dass sie strenger über die Qualität der Anträge urteilen und sich dadurch die Chancen auf Bewilligung verschlechtern.

Insgesamt zeige sich ein Trend, wissenschaftsferne Kriterien, wie das Geschlecht, eher dann zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, wenn es um Entscheidungen zwischen Personen geht, die einander in ihren wissenschaftlichen Leistungen sehr ähnlich sind, oder wenn die Personen noch relativ wenig vorzuweisen hätten, resümierte Bornmann.

Studien zu Bewilligungsquoten sind freilich nur relativ aussagekräftig, was den Gesamtprozess der Mittelvergabe betrifft: Denn schon bis zum Zeitpunkt der Antragstellung machen sich laut anderen Studien mitunter starke Geschlechtereffekte bemerkbar. (APA/red, derStandard.at, 5. 5. 2013)