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Alte, laute, energiefressende und giftige Eiskästen sollen verbannt werden, wenn es nach den Verfechtern der Magnetkühlung geht.

Foto: AP/DaveCaulkin

Die Kältetechnik steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Ähnlich wie die klobigen Röhrenbildschirme jüngst Flachbildschirmen wichen, soll bald die vertraute Kühltechnik aus dem Haushalt verschwinden. "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, zwei, drei Jahre vielleicht", sagt der Physiker Karl Sandeman vom Imperial College in London. Die neuen Geräte sehen nicht anders aus als bisher. Aber sie benötigen nur halb so viel Energie und sind mucksmäuschenstill. In ihrem Inneren erzeugen Spezialmaterialien in einem Magnetfeld die nötige Kälte. Sie ersetzen die verbrämten FCKWs, verwandte Fluorkohlenwasserstoffe und andere Kältemittel.

Das erste Modell eines magnetischen Kühlschranks stammt vom britischen Start-up Camfridge. Das Unternehmen Whirlpool, einer der größten Hausgerätehersteller, testet das Gerät zurzeit. Ein mannshoher schmuckloser Kasten, der mit seinen inneren Werten bestechen soll: Er verbraucht nur knapp halb so viel Strom wie landläufige Produkte und erreicht die beste Energieklasse. Das zahlt sich auch in der Klimabilanz aus. Rund 15 Prozent der Energie brauchen Industrienationen für die Kälteproduktion und verursachen so einen beträchtlichen Teil ihrer Treibhausgasemissionen.

Hausgerätehersteller auf der ganzen Welt arbeiten an der Umstellung auf die magnetische Kühlung - die meisten im Geheimen. Das französische Unternehmen Cooltech in Straßburg kündigt für 2013 erste Geräte für industrielle Anwendungen an - mutmaßlich für Lebensmittelbetriebe.

Der Zeitpunkt für den Umbruch könnte kaum besser sein: Nach und nach verbannen Politiker fluorierte Kältemittel. Den Anfang machten 1991 in der EU die Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Diese Umweltgifte entfalten in der Atmosphäre eine rund 10000-mal stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid und zerstören die schützende Ozonschicht.

Klimafreundliche Alternative

Weil Klimaanlagen und Kühlschränke sich aber weltweit rasant verbreiten und die Fluorchemikalien überall verboten sind, produzieren Fabriken trotzdem immer mehr der klimaschädlichen Stoffe. 2050 werden sie 28 bis 45 Prozent der menschengemachten Erderwärmung verursachen, lauten aktuelle Prognosen

Die Magnetkühlung wäre die perfekte ökologische Alternative. Ingenieure bauten schon vor 2010 weltweit 41 Prototypen, einen davon der Kühltechnikexperte Peter Egolf von der Ingenieurshochschule im Schweizer Yverdon-les-Bains. Seine Erfindung glich mit dutzenden Kabeln und viel blankem Metall aber eher einem Physikapparat als einem Haushaltsgerät. Immerhin kühlte sie. Und beeindruckte so sehr, dass Egolf mehrere Preise einheimste, darunter 2006 den Swiss Technology Award. Beflügelt vom Erfolg, kündigte er damals die ersten kommerziellen Geräte an. Aber nichts geschah. "Meine Vorhersagen haben sich nicht erfüllt", sagt der Mann, der eine europäische Expertengruppe zur magnetischen Kühlung leitet, heute.

Egolf hatte zwei Dinge übersehen. Die Industrie sprang bis vor wenigen Jahren nicht in großem Stil auf die Magnettechnik an. Und die Prototypen vor 2010 basierten fast alle auf Gadolinium als Kältelieferant. Dieses Material ist ein Metall der seltenen Erden und damit zu teuer und in viel zu geringen Mengen auf dem Markt.

Die Idee der Magnetkühlung wäre wohl in der Versenkung verschwunden, hätten nicht mehrere Forscher unabhängig voneinander zwei entscheidende Entdeckungen gemacht. Feng-Xia Hu in China und Asaya Fujita in Japan fanden eine Legierung aus Lanthan, Eisen und Silizium, die im Magnetfeld reichlich Kälte liefert. Kurz darauf beschrieb der Niederländer Ekkes Brück an der Technischen Universität Delft eine weitere Legierung aus Mangan, Eisen, Phosphor und Arsen, die kühlen kann. Beide Werkstoffe lassen sich preiswert in großen Mengen erzeugen.

Der deutsche Magnethersteller Vacuumschmelze stieg daraufhin in die Forschung ein. Das Unternehmen setzt auf das Material aus Fernost, weil es kein giftiges Arsen enthält. Seit 2007 stellt es daraus filigrane Plättchen für rund 20 Partner auf der ganzen Welt her. Zurzeit bereitet es die industrielle Produktion im Tonnenmaßstab vor. Der Konkurrent BASF stürzt sich dagegen auf den Werkstoff von Ekkes Brück. Silke Bühler-Paschen vom Institut für Festkörperphysik an der Technischen Universität Wien, ist verhalten, was die Markttauglichkeit betrifft: "Magnetkühlschränke haben das Potenzial, bisherige kompressorbasierte Systeme zu ersetzen. Allerdings wird mit Hochdruck an weiteren Verbesserungen der Technik gearbeitet, was zeigt, dass es noch immer Optimierungsbedarf gibt."

"Rolls-Royce für Ökos"

Ein Problem: "Die erforderlichen Magnete kosten alleine rund dreihundert Euro. Solche Kühlschränke sind deshalb deutlich teurer als herkömmliche Geräte", analysiert Egolf. Camfridge behauptet, dafür nun eine Lösung gefunden zu haben: einen preiswerten Magneten auf Basis von Eisen. Trotzdem glaubt er, dass die ersten Modelle "einem Rolls-Royce für Ökos" gleichkommen werden. Für Supermärkte und Lebensmittelbetriebe könnte sich die teure Anschaffung dennoch lohnen, weil sie ihren Energieverbrauch halbieren und so die Betriebskosten senken.

Egolf stachelt der hohe Preis zur Forschung an. Er möchte die Magnetkühlungen miniaturisieren. Dann bräuchte er weniger Magnet und damit weniger Geld. "Wenn das gelingt, kommen wir ins Auto hinein." Denn jedes Jahr versehen Konstrukteure zehn Millionen Fahrzeuge mit Klimaanlagen. Und nicht nur in Autos, auch auf Schiffen, in Zügen und Flugzeugen zählt jeder Zentimeter und jedes Kilogramm. Leichte Miniklimaanlagen kämen dem entgegen. Bis solche in Serie gehen, werden die Entwickler aber noch einige Jahre einen kühlen Kopf brauchen. (Susanne Donner, DER STANDARD, 30.4./1.5.2013)