Karl Vocelka (65) ist Professor emeritus für österreichische Geschichte an der Universität Wien und Mitglied im Kuratorenteam der Landesausstellung. 

Foto: Gerald Schubert

Sie werden in der Präsentation nicht ausgeklammert, wie der Wiener Historiker Karl Vocelka im Gespräch erläutert.

Wien/Prag – Die Tschechische Republik ist mit der Ausfuhr von Kunstgegenständen vorsichtig. Hintergrund ist ein jahrelanger Rechtsstreit mit einer Blutplasma-Firma, die sich bereits in der Vergangenheit um die Beschlagnahmung tschechischen Eigentums im Ausland bemüht – auch in Wien, wo 2011 auf Antrag der Firma drei Kunstwerke aus Tschechien konfisziert wurden.

STANDARD: Gab es bei den Vorbereitungen zur Landesausstellung Schwierigkeiten mit Leihgaben aus Tschechien?

Karl Vocelka: Die Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen war sehr gut. Eine Zeitlang hat es aber so ausgesehen, als würden wir nicht ein einziges Objekt aus Tschechien bekommen, was bei einer gemeinsamen Landesausstellung etwas eigenartig gewesen wäre. Das Problem konnte glücklicherweise gelöst werden. Oberösterreich hat eine Garantieerklärung abgegeben, wodurch die Objekte sakrosankt sind und nicht beschlagnahmt werden können.

STANDARD: Angeblich gab es auch die Sorge, dass Exponate missverständlich präsentiert werden könnten.

Vocelka: Wir haben versucht, die sensiblen Themen so klar und objektiv wie nur denkbar darzustellen. Nehmen wir als Beispiel die Ereignisse nach 1945. Im Katalog haben wir zu diesem Thema zwei Aufsätze: Ein Autor schreibt aus der Perspektive der deutschen Vertriebenen, einer aus der Perspektive der Tschechen, und dann haben wir noch einen Amerikaner, der diese Artikel kommentiert. Auch beim Atomkraftwerk Temelín haben wir versucht, beide Seiten darzustellen. Also auch die Perspektive der Energiepolitik in Tschechien, wo es nicht so viel Wasserkraft gibt und wo man die CO2-Emissionen der Braunkohlekraftwerke eindämmen will. Wir nähern uns diesen Themen von beiden Seiten und überlassen es dem Besucher, sich eine Meinung zu bilden. Das ist ein wesentlicher Grundsatz der Ausstellung.

STANDARD: Sehen Sie im unterschiedlichen Blick auf die Vergangenheit heute noch etwas Trennendes?

Vocelka: Der Diskurs, der von der jungen Generation aufgenommen wird, ist nicht mehr so emotional belastet. Diese Entwicklung gibt es in allen historischen Bereichen, etwa auch beim Umgang mit dem Nationalsozialismus. Die erste Generation hat sich nicht damit beschäftigt, weil noch der eigene Vater oder der verehrte Lehrer betroffen war. Erst eine oder zwei Generationen später konnte man objektiver darüber sprechen. Das gibt Grund zur Hoffnung, dass wir auch hier die Vergangenheit irgendwann entemotionalisieren können.

STANDARD: Sie beschäftigen sich schon sehr lange mit den österreichisch-tschechischen Beziehungen. Woher das Interesse?

Vocelka: Ich komme aus einer Wiener tschechischen Familie, mein sehr passives Tschechisch habe ich aber leider erst als Erwachsener gelernt. Ich habe also eine gewisse Nähe zu diesem Raum. Und gerade wenn man einen so kleinräumigen Bereich wie das Mühlviertel und Südböhmen erforscht, ist das besonders spannend. (Gerald Schubert, DER STANDARD, 30.4./1.5.2013)