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Eine Baustelle vor der EZB in Frankfurt.

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Thomas Fricke: Raus aus der fatalen Finanzwelt. Wie viel Bank braucht der Mensch? Westend-Verlag, Frankfurt. 19,99 Euro

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Der Finanzsektor kostet derzeit vor allem Geld: Der Schuldenstand aller EU-Staaten hat sich aus dem Titel Bankenrettung seit 2007 um 5,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder 670 Milliarden Euro erhöht. Kosten, die alle tragen und die für jene am schmerzhaftesten sind, die wenig haben.

Die Ehrfurcht vor der Effizienz der Kapitalmärkte ist ohnedies schon länger dahin. Ehedem hymnische Kommentare über weise Menschen an internationalen Finanzmärkten und die Effizienz der Systeme sind weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Derzeit ist die Welt mit dem Lecken der Wunden und mit Ursachenforschung beschäftigt. Auch einige Lösungsvorschläge kamen ins Spiel: Ein bisschen besser regulieren, ein bisschen mehr Transparenz, die Bankenchefs ein bisschen besser auswählen, die eine oder andere Gehaltsobergrenze einführen.

An dem Motto "freie Finanzmärkte sind nach wie vor die beste Instanz, um Geld zu steuern" hat sich aber nicht allzu viel geändert. Dem Credo, es müsse nur etwas nachgebessert werden, folgt der Wirtschaftsjournalist Thomas Fricke nicht. Viel eher seien die Finanzmärkte "gaga", denn effizient. Ohnehin habe ein Gutteil der über drei Jahrzehnte atemberaubend gewachsenen Finanzgeschäfte für den Rest der Welt selbst keinen großen Nutzen, konstatiert er. In seinem Buch "Wieviel Bank braucht der Mensch" trägt Fricke zusammen, was er wiederholt in Kommentaren der verblichenen Financial Times Deutschland publiziert hat. Sein Schluss: "Unter dem Strich Null".

Nach der jüngsten Finanzparty hätten nämlich 50 Prozent der Deutschen an jedem Monatsende unter dem Strich nichts mehr übrig. Für die zehn Prozent der Reichen sehe dies schon anders aus, weil sie auf fast zwei Drittel des Barvermögens von fünf Billionen Euro sitzen. Fricke fordert nach dem Atomausstieg den Bankenausstieg. Die Luftnummern des Finanzmarktkapitalismus hätten gezeigt, wie Unternehmen und ganze Staaten in den Ruin getrieben werden. Weniger Bank sei daher mehr, weshalb die modernen Finanzprodukte auf den Prüfstand zu stellen seien. Doch wie muss ein Bankenwesen aussehen, das Finanzcrashs verhindert und nicht produziert? Fricke hat dazu genaue Vorstellungen, die er recht verständlich und plausibel präsentiert.

Kurz zusammengefasst hält er folgendes für notwendig: Die "Rückkehr zu einem Weltwährungssystem mit begründbar festeren Kursen" unter Berücksichtigung von "Tücken und Mängeln des Bretton-Woods-Systems der Nachkriegszeit", wobei "nicht wie einst eine einzelne Währung wie der Dollar de facto zur Reservewährung wird", sondern "statt des Dollar als Reserve künftig eine eigene Recheneinheit fungiert". Auch der Handel mit Staatsanleihen gehört nach Ansicht Frickes reformiert. Wünschenswert wäre eine Rückkehr zu jenem Zustand "der lange als gang und gäbe galt: dass Staatsanleihen in reicheren Ländern als sichere Anlagen einzustufen und konservativen Anlegern zu empfehlen sind." Dazu wäre es unter anderem wichtig, "einen Staatsanleihenmarkt zu schaffen, auf dem Papiere nur unter starken Schutzbedingungen gehandelt werden." Darüber hinaus: Eine Finanztransaktionssteuer als Grundausstattung, Kontrolle der Rohstoff- und Anleihenmärkte und ein effektiver Antikrisenmechanismus. Voraussetzung: Gründliche Umkehr und weg vom neoliberalen Denken. (rb, derStandard.at, 29.4.2013)