Ahmed Noor: "Die Politik muss erkennen, dass es für sie auch Rechte und Pflichten und nicht nur Befehle gibt."

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ÖVP-Landeschef Wilfried Haslauer und SPÖ-Vorsitzende Gabi Burgstaller kämpfen um den ersten Platz in Salzburg.

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Während Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) absolute Aufklärung und größtmögliche Schadensbegrenzung in Zusammenhang mit dem Finanzskandal verspricht und sich auch die Oppositionsparteien mit dem Ergebnis des U-Ausschusses relativ zufrieden zeigen, brodelt es unter der Beamtenschaft des Landes. Personalvertreter Ahmed Noor setzt im Gespräch mit derStandard.at zum Rundumschlag gegen die politische Kaste an. Er kritisiert, dass die handelnden Akteure nicht zur Verantwortung gezogen würden.

Auch die Opposition trage eine Mitschuld am Skandal, denn sie habe ihre Kontrollfunktion nicht ausreichend erfüllt, sagt Noor. Herbe Kritik richtet der Christgewerkschafter an die Landeshauptfrau: "Burgstaller ist im inneren Dienst abgetaucht", ihr Krisenmanagement funktioniere nach wie vor nicht. Außerdem sprach er mit Katrin Burgstaller über das Amtsgeheimnis, das Aufklärung verhindere: "Wir Bediensteten wissen über vieles Bescheid, können und dürfen aber nicht darüber reden, weil wir sonst mit Disziplinarstrafen bedroht sind."

derStandard.at: Die politischen Fraktionen loben quer durch die Bank die Aufarbeitung des Finanzskandals im U-Ausschuss. Stimmen Sie da zu?

Noor: Ich sehe das naturgemäß kritisch. Das war ein rein politischer Ausschuss. Mir fehlen die Konsequenzen für die Politiker, darüber redet jetzt niemand mehr, auch nicht die Opposition. Welche Sanktionen gibt es für Politiker, wenn sie Geld so wie in Salzburg "verbrennen" oder wenn sie die Unwahrheit sagen? Warum müssen die Politiker nichts zurückzahlen? Wir Bediensteten sind mit Disziplinarstrafen bedroht, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ein Politiker darf anscheinend alles tun und wird sogar noch mit einem doch nicht geringen Entgelt belohnt.

derStandard.at: Wer soll zur Verantwortung gezogen werden?

Noor: Neben den verantwortlichen Politikern in der Regierung, allen voran im Finanzressort, will ich auch die Opposition nicht außen vor lassen. Die Opposition hat ihre Kontrollfunktion im Landtag nur teilweise erfüllt. Es reicht eben nicht, nur hin und wieder nachzufragen und sich im Nachhinein darüber zu beschweren, dass Anfragen falsch oder unzureichend beantwortet wurden. Wenn man das Gefühl hat, dass etwas falsch läuft, hat die Opposition das Mittel in der Hand, so lange nachzufragen, bis die politisch Verantwortlichen mit der Wahrheit herausrücken müssen. Man kann auch die Medien einbeziehen. In anderen Fällen macht das die Opposition auch, ich frage mich: Warum ist das hier nicht gegangen? Es greift zu kurz, wenn man die Schuld hin- und herschiebt. Unsere gesetzlichen Möglichkeiten in der parlamentarischen Auseinandersetzung geben vieles her, man muss sie nur entsprechend leben.

derStandard.at: Also auch die Opposition hat in dieser Causa versagt?

Noor: Ich gestehe es manchen zu, wenn sie sagen, sie haben davon nichts gewusst. Aber die Budgets waren für alle einsehbar. Mindestens seit 2006 werden bei den Budgets Einnahmen in Millionenhöhe deklariert, in der Klammer ist dann von "Derivaten" oder "Landeswohnbaufonds" die Rede. Im Jahr 2009 wurden 17 Millionen aus Erträgen des Schuldenmanagements bugetiert, 2010 und 2011 jeweils 16 Millionen. Wer von der Opposition hat denn nachgerechnet, wie viel Geld nominal eingesetzt werden muss, um zum Beispiel Zinsen in dieser Höhe zu bekommen?

derStandard.at: Von der Landeshauptfrau abwärts haben viele Spitzenpolitiker Salzburgs sinngemäß erklärt, sie hätten das Spekulationssystem nicht verstanden. Ist das legitim?

Noor: Dass nicht jeder alles wissen kann, ist klar. In den Fraktionen gibt es allerdings auch Budgetsprecher. Ich gehe schon davon aus, dass sich ein Budgetsprecher auskennt. Dass natürlich auch Experten hinzugezogen werden, ist legitim. Ich darf außerdem von Politikern erwarten, dass sie sich kundig machen. Wofür ich kein Verständnis habe, ist, wenn Politiker mitstimmen, ohne vom Gegenstand, über den sie abstimmen, Bescheid zu wissen. Der Zugang zum Wissen steht jedem offen.

derStandard.at: Im Zuge des Finanzskandals gab es eine anonyme Sachverhaltsdarstellung von der "Salzburger Beamtenschaft - deren aufrechter Rest". Auch die Beamten hätten über die Spekulationen schon vor langer Zeit gewusst haben müssen. Befinden sich die Beamten oft in einem Gewissenskonflikt, wenn sie solche Vorgänge mittragen müssen?

Noor: Zuerst: Ich bin stolz auf solche KollegInnen des Landes. Schlussendlich gibt uns aber die Amtsverschwiegenheit einen sehr engen Rahmen vor. In der Vergangenheit hatte die Amtsverschwiegenheit sicher ihre Berechtigung. Wir öffentlich Bediensteten stellen uns nicht gegen eine Veränderung. Derzeit können wir nur von der weisungsabhängigen Verwaltung - anlassbezogen - von der Amtsverschwiegenheit entbunden werden. Es ist an der Zeit, die Amtsverschwiegenheit gänzlich aufzulösen, natürlich unter Einhaltung der schutzrechtlichen Vorgaben, etwa Rechten von Parteien oder Datenschutz. Dann können wir auch einmal etwas sagen, wenn die Politik hier und dort vorsätzlich flunkern möchte, etwa bei parlamentarischen Anfragen.

derStandard.at: Dieses "vorsätzliche Flunkern" passiert oft?

Noor: Ich traue mich zu sagen, dass die Politik Dinge durchaus gern so darstellt, wie es ihr gerade passt. Natürlich ist es nicht angenehm, wenn man Dinge, die schieflaufen, kundtun muss. Aber das Scheitern gehört auch in der politischen Welt dazu. Doch in der Politik ist es weit verbreitet, dass man nicht scheitern darf. So werden Sachverhalte oft verheimlicht oder anders dargestellt. Wir Bediensteten wissen über vieles Bescheid, können und dürfen aber nicht darüber reden, weil wir sonst mit Disziplinarstrafen bedroht sind.

derStandard.at: Zum U-Ausschuss in Salzburg. Hat man hier tatsächlich schonungslose Aufklärung ermöglicht?

Noor: Aus meiner Sicht ist noch einiges aufzuklären. Derzeit bemüht sich das Land darum, Zugriff auf Monika Rathgebers E-Mail-Konto zu bekommen. Dazu braucht es die Zustimmung von uns als Personalvertretern. Erst jetzt, Monate nach Aufkommen des Skandals, wird danach gefragt.

Wir haben aber die Zustimmung abgelehnt, weil Monika Rathgeber ihre Mails freiwillig hergeben würde, allerdings unter der Bedingung, dass sie selbst auch Zugriff zu ihrem Account bekommt. Angeblich sollen darin für sie entlastende Mails enthalten sein. Da habe ich schon das Gefühl, dass der Dienstgeber nicht mit voller Energie wirkt. Ich nehme an, die politische Ebene will hier schon wieder eigene Spielchen spielen.

Auch wurden die Akten teilweise sehr schleppend an den U-Ausschuss geliefert. Unsere Kollegen haben Nachtschichten eingelegt, damit die Daten bereitgestellt werden konnten. Irgendwo hatte dann doch die Abteilungsleitung und/oder die Politik eine Filterfunktion und hat für eine Lieferungsverzögerung gesorgt.

derStandard.at: Wilhelm Hemetsberger von der Firma Ithuba wurde engagiert, um das Portfolio "aufzuräumen". Hat die Beamtenschaft einen Überblick, ob diese Aufräumarbeiten korrekt ablaufen?

Noor: Das ist eines unserer Probleme. Wir haben mit der Kollegin Rathgeber eine Spitzenkraft verloren. Die wenigen, die noch da waren, mussten bis zum Rande der Belastbarkeit arbeiten. Man hat einen neuen Kollegen aus der Deutschen Bank eingestellt. Er wurde angewiesen, das Portfolio gemäß den Anweisungen des Finanzbeirats und der verantwortlichen politischen Ressortführung zu verkaufen. Jetzt wird ihm vorgeworfen, dass er den Auftrag erfüllt hat. Wieder wird den Bediensteten alles umgehängt.

Außerdem wurde ein zweiter Experte aus dem Finanzministerium geholt, der hier Chef "spielt". Für mich ist es eine Katastrophe, was in dieser Abteilung aufgrund der sogenannten Externen nun alles läuft. Seine Kompetenzen sehe ich sehr kritisch.

derStandard.at: Funktioniert das Vieraugenprinzip in Salzburg mittlerweile?

Noor: Der Kollege von der Deutschen Bank verkauft nach Anweisung der Finanzexperten die Geschäfte. Allerdings gibt es niemanden, der imstande ist, dies gemäß dem Vieraugenprinzip seriös zu überprüfen. Unsere verbliebenen Kollegen in der Finanzabteilung haben gesagt, sie kennen sich nicht aus, weil diese Finanzgeschäfte nicht ihre Aufgaben waren und sind. Was passiert jetzt: Im Innenverhältnis vergleichen Juristen aus der Abteilung die Kontonummern und andere Daten, ob diese übereinstimmen. Wenn das passt, unterschreibt er oder sie. Er oder sie unterschreibt aber nur auf der Ebene der formalen Richtigkeit, nicht jedoch auf der einer sachlichen und inhaltlichen Richtigkeit.

Die Unterschrift steht sozusagen nur für das Überprüfen der Kontonummern. Nach außen sieht es so aus, als würde ein Vieraugenprinzip bestehen. Hier sieht man, wie verlogen die Politik ist. Später wird man sich wieder fragen: Warum haben die Bediensteten des Landes hier unterschrieben?

derStandard.at: Das muss für die betreffenden Beamten sehr unbefriedigend sein.

Noor: Das ist maximal unbefriedigend. Deshalb gab es auch einen internen Aufstand in der Finanzabteilung. Ursprünglich hätten sie mit ihrer Unterschrift haften sollen. Nun hat man sich auf diese juristische Hilfskonstruktion geeinigt. In dieser Abteilung herrscht nicht zuletzt durch die externen Experten große Unruhe.

derStandard.at: Der Leiter der Finanzabteilung könnte doch unterschreiben.

Noor: Ja, der will aber nicht. Der neue Leiter Clemens Mungenast sagt, er ist kein Wertpapierexperte. Auch der neue Landesrat Georg Maltschnig sträubt sich. Am Schluss stehen wieder unsere Leute mit ihren Unterschriften da. Da zeigt sich wieder die Feigheit der Politik. Seriöserweise hätte man die Firma Ithuba mit der Auflösung der Papiere beauftragen sollen, inklusive einer Ausfallshaftung et cetera.

derStandard.at: Was soll die Landeshauptfrau besser machen?

Noor: Man kann mir als Christgewerkschafter Parteilichkeit vorwerfen, aber ich versuche es neutral auszudrücken: Sie ist die Leiterin des Inneren Dienstes und könnte alles beeinflussen. Aber Burgstaller ist im Inneren Dienst abgetaucht. Es passiert nichts. Frau Burgstaller hat noch kein Krisenmanagement. Sie wälzt alles auf den Landesamtsdirektor ab.

derStandard.at: Was muss sich ändern?

Noor: Die Politik muss sich so wie auch wir Landesbediensteten an die Gesetze halten. Die Politik muss erkennen, dass es für sie auch Rechte und Pflichten und nicht nur Befehle gibt. Ich unterstütze außerdem den Aufbau eines Whistleblower-Systems. Wir als Personalvertreter bekommen viele Infos zugetragen. Aber auch wir unterliegen Verschwiegenheitspflichten. Ich muss auch die KollegInnen schützen, man würde sonst sofort wissen, woher die Infos kommen.

derStandard.at: Wie ist es momentan, Beamter in Salzburg zu sein? Wird man von der Bevölkerung als Mitschuldiger betrachtet?

Noor: Als wir für unsere Löhne gekämpft haben, wurden wir von der Bevölkerung unterstützt. Dann kam der Finanzskandal. An den Stammtischen wird man als Landesbediensteter schief angeredet. Ich war kürzlich einkaufen, da hat man mich gefragt, ob ich die Millionen nun im Plastiksackerl nach Hause trage. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 30.4.2013)