Einer von 60 von Salis & Vertes (Salzburg, Zürich) präsentierten internationalen Blickfängen: Gerhard Richters "U.L." (Ulrich Look) aus dem Jahr 1985, für das die Verhandlungen bei 2,45 Mio. Euro beginnen.

Foto: im kinsky

Wir reden wieder vom Siegen, und Überleben ist selbstverständlich! Am Ende der 47. Ausgabe - und reichlicher Krisen-Routine vorangegangener - darf die Art Cologne (19.-22. 4.) das düstere Rilke-Zitat ("Wer redet von Siegen, überleben ist alles") modifizieren. 2008 hatte Daniel Hug, ehemals Galerist in Los Angeles, die Leitung der Art Cologne übernommen. Aus einem konzeptarmen Schwellkörper mit qualitativer Schwindsucht und quantitativer Überfettung machte der Schweizer ein konturiertes 200-Galerien-Phänomen, das zumindest angesichts der Teilnehmerliste als international bezeichnet werden kann.

Aktuell bot die Kölner Kunst-Landkarte 25 Länder, wobei das Rheinland (Düsseldorf, Köln) und ein üppiger Berlin-Block in dieser fraglos deutschen Leader-Veranstaltung markante Positionen einnehmen. Dies ist sicherlich auch bedingt durch einen nationalen Kunstmarkt mit Berlin-Frust, wo man sich derzeit durch "gallery weekends" (bis 28. 4.) wieder aufzuforsten versucht.

Belegbar für die Art Cologne ist die seit 2008 ansteigende Rückkehrer-Kurve großer Namen: darunter etwa Eigen & Art (Leipzig/ Berlin), Christine König und Ursula Krinzinger (beide Wien), Marlborough Contemporary (London) oder David Nolan (New York) und Helga de Alvear (Madrid).

Per se wird unter dem Stichwort "Platzvorteil Art Cologne" niemand den seit 50 Jahren beackerten Kunstort-Humus ignorieren können: konzentriert sich doch hier im Dreiländereck (Belgien, Niederlande) das dichteste Aufkommen der Spezies Sammler in Westeuropa. Doch bei aller Faszination gegenüber einer genuinen Künstler- und Sammler-Stadt muss man realistisch von einer für Köln "durchaus großen mitteleuropäischen Zukunft" sprechen, wie es etwa Galerist Ernst Hilger (Wien) formuliert. Mit dem diesjährigen österreichischen Biennale-Trio Angel Marcos, Cameron Platter und Simon Vega generierte er einiges an Aufmerksamkeit.

Starke Kunst nach 1945

Und Daniel Hugs Anteil am Erfolg? Ein Glücksfall, betont Hilger, denn er verstehe "die Bedürfnisse des Marktes wie kein Zweiter, er inspiriert die Aussteller und die, die es werden wollen, und er gibt auch das Vertrauen, das man in diesen Markt investieren will".

Der Jahrgang 2013 belegt es: Die Mutter aller Kunstmessen, zuletzt eine Frau in Krise, wurde zu einer lebendigen Messe mit Schwerpunkt " zeitgenössische Kunst" geformt. Ohne dass das Angebot an Klassischer Moderne ignoriert wird, aber Klassische Moderne wird für Köln wohl immer stärker "Kunst nach 1945" bedeuten.

Auch dies muss man neidlos anerkennen: In ihrem Segment hat sich die Art Cologne ins europäische Topsegment zurückgearbeitet und Brüssel, Madrid, Paris und Bologna vielleicht sogar überholt. Was der Düsseldorfer Galerist Michael Beck resümierend bestätigt, doch ebenso das Restrisiko und die Leerstellen dieser Messe formuliert: "Im internationalen Vergleich fehlen ,Highlights' ebenso wie hochpreisige Angebote und dadurch auch internationale Besucher und Käufer. Da kann Köln einfach nicht mit Basel, London und Hongkong mithalten; der Zug ist hier erst einmal abgefahren!"

So taucht innerhalb der offiziellen Verkaufszahlen in der bilanzierenden Messe-Prosa reichlich der Begriff "Reservierung" auf, auch wenn es um Sechs-, sogar Siebenstelliges geht (bei David Zwirner ein Neo-Rauch für 1,4 Mio. Dollar). Thomas Salis (Salzburg/Zürich) konstatierte gar die beste Art Cologne seit 15 Jahren. Tatsächliche Siege vermeldete Thaddaeus Ropac (Salzburg/Paris), der eine Kohlezeichnung von Richard Longo (275.000 Dollar) an ein Museum in Stuttgart verkaufte. Ebenso wechselte hier der leuchtende Schriftzug Yes von Jack Piercon den Besitzer. An diesem Symbol der Aufbruchsstimmung kam keiner vorbei, hatte Ropac den artifiziellen Werbeschriftzug doch gleich am Halleneingang positioniert. (Roland Gross, Album, DER STANDARD, 27./28.4.2013)