"Ja, es sind schwere Räder", sagt Stadtradler-Chef Mikko Stout, "dafür sind sie so robust wie ein Auto" - Das Hollandrad hält Einzug in Wien

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Das Erste, was BesucherInnen einer niederländischen Stadt auffällt: überall Hollandräder. Jede Altersgruppe, jede Gesellschaftsschicht fährt dieses Fahrrad, das durch seinen massiven Rahmen, den hohen Lenker und möglichst viele Vorrichtungen für den Transport von allem, was im städtischen Alltag benötigt wird, charakterisiert ist.

"Das Hollandrad ist ein vollwertiges Rund-um-die-Uhr-, 365-Tage-pro-Jahr-Transportmittel, nicht nur ein Sportgerät für einen Ausflug", erklärt Mikko Stout, der sich seit Anfang April mit seinem neuen Geschäft Stadtradler dafür engagiert, dass das Hollandrad auch Wien erobert.

Gleich rechts hinter der Karlskirche, in der Karlsgasse 16, liegt der Eingang.

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Gleich um die Ecke des Shops, in der Frankenberggasse 2-4, befindet sich die Werkstatt, vor der Stadtradler-Chef Mikko Stout gerade an einem älteren, für ihn gar nicht typischen Fahrrad hantiert. Stout ist mit der Materie eng verbunden. Bis vor gut 20 Jahren hat er in Amsterdam gelebt, schon als kleiner Bub war er auf Hollandrädern unterwegs und hat sie auch selbst repariert.

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Wenn er nicht gerade im Geschäft steht, widmet sich der zertifizierte Fahrradtechniker im Nebenraum den Reparaturen. Die Idee zum eigenen Geschäftslokal kam ihm bereits nach seiner Übersiedlung nach Wien: "Als ich hierhergekommen bin, habe ich manchmal im Spaß gesagt: Hier gibt es keine gescheiten Räder, wo man aufrecht sitzt, einen geschlossenen Kettenkasten hat und die Möglichkeit, viele Dinge durch die Gegend zu transportieren", erzählt Stout. Jetzt, 20 Jahre später, hat sich die Gelegenheit für den Schritt in die Selbstständigkeit ergeben.

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An der Wand des ansprechend gestalteten Verkaufslokals hängen die Hollandräder in vielen Farben. Vor allem die bekannten niederländische Marken Gazelle und Azor sind hier erhältlich. Letztere können komplett nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden, von der Farbgebung über das Design des Rahmens bis zur Beleuchtung. Weshalb ein Hollandrad als Stadtrad besonders gut geeignet ist? "Durch die aufrechte Sitzhaltung ist es sehr bequem", sagt Stout. Beim Anhalten könne man sich mit dem Fuß abstützen, ohne absteigen zu müssen. "Der Fahrer bewahrt den Überblick im Straßenverkehr und wird selbst gesehen".

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Nicht zuletzt ermöglicht der breite Gepäckträger den Transport von Taschen, Körben und Kindern - Letztere werden natürlich auf einem eigenen Sitz befördert. Für vorne am Lenker und hinten am Gepäckträger gibt es im Radlager alle möglichen Varianten von Körben aus Rattan, Kunststoff im Rattanlook oder Metall. Die Halterung ist je nach Fahrrad mit dem Vorderrad gekoppelt (Bild), was bei schwereren Lasten das Lenken mühsamer machen kann.

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Die Alternative ist die Halterung ohne Verbindung zum Vorderrad (Bild), was auch bei schweren Lasten die Lenkung nicht beeinträchtigt.

Mikko Stout ist selbst leidenschaftlicher Stadtradler und setzt auf Überzeugungsarbeit. So listet er auf seiner Website 13 gute Gründe auf, weshalb Menschen nicht in der Stadt radeln, etwa "Mit meinem Glück regnet es jedes zweite Mal, wenn ich Rad fahre", oder "Mein Weg ist zu weit, um mit dem Rad zu fahren". Stout entkräftet sie in der Folge charmant.

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So kann Hollandradfahren beispielsweise immer mit einem makellosen Äußeren einhergehen. Die Befürchtung "Ich werde meine guten Kleider auf einem Fahrrad ausbeulen" entkräftet Stout mit der geraden Sitzposition. Die Kleider sollen dadurch nicht mehr belastet werden als beim Sitzen auf einem Sessel. "Darüber hinaus haben alle Stadträder einen guten Spritzschutz, damit du, auch wenn du durch eine Pfütze fährst, nicht gleich deine Putzerei besuchen musst", sagt der Stadtradler-Chef.

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Das neue Lifestyle-Bewusstsein am Hollandrad kann sich zum Beispiel in Form eines mobilen Rosengartens manifestieren. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine ganz normale Tasche, ...

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... sobald Stout aber den Zipp öffnet, rückt die Halterung fürs Fahrrad ins Blickfeld.

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Auch in dezenterer Ausführung gibt es die Transportboxen. Sie sind schmutzabweisend und halten auch Niederschlägen stand.

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Guter Schutz vor Erschütterungen: In dieser Tasche wird der Laptop seitlich am Fahrrad fixiert.

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Stout hat auch eine Auswahl wirklich ausgefallener Helme auf Lager. Dieser hier ist ausschließlich für Kinder erhältlich - leider ...

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Werden die Kinder etwas größer, sind sie mit dem Knochenhelm samt Zähnen und rot leuchtenden Augen wild unterwegs. Was sich hoffentlich nicht negativ auf das harmonische Miteinander im Straßenverkehr auswirkt ...

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Dazu passend gibt es ein gutes Sortiment an Klingeln ...

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... in allen Farben, Mustern und Tönen. Bei aller Ästhetik und allem Vergnügen steht für Stout die Benutzerfreundlichkeit im Vordergrund. "Schönheit allein reicht nicht", sagt der Stadtradler-Inhaber. "Ich wähle die Dinge nicht nur im Hinblick auf Ästhetik aus, sondern immer im Hinblick auf ihre Funktionalität."

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Da Stout aus Amsterdam kommt, ist er mit dem Thema Fahrraddiebstahl vertraut. Seine persönliche Strategie: "Ich schaue immer, dass ich ein besseres Schloss habe als die Räder, die neben meinem abgestellt sind." Nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist das integrierte Fahrradschloss, über das jedes Hollandrad verfügt. "Wenn ich schnell beim Bäcker stehen bleibe, ist das ausreichend", sagt Stout.

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Fürs längere Abstellen des Rades empfiehlt er zusätzliche Sicherungsmaßnahmen. Da die Ketten- und Bügelschlösser mit dem integrierten Schloss kompatibel sind, wird nur ein einziger Schlüssel benötigt. Stout selbst hat sowohl bei seiner Wohnung als auch am Arbeitsplatz eine schwere Kette, die er, wenn er losfährt, an einem Pfosten befestigt. So muss er sie nicht mitschleppen, ...

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... womit wir beim für das Hollandrad nicht unwesentlichen Thema Gewicht sind. Beachtliche 16 bis 20 Kilogramm wiegt so ein Rad. Es in Stiegenhäusern auf und ab zu schleppen ist nicht ratsam. Dafür ist es laut Stout so robust wie ein Auto, unter anderem dank seiner dreifachen Pulverbeschichtung. "Ja, es sind schwere Räder", bestätigt der Experte, "aber sie halten es aus, wenn sie immer draußen auf der Straße stehen." So sei das Fahrrad permanent verfügbar, und auch kürzeste Strecken würden mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dass es dafür genügend Abstellplätzen bedarf, liegt auf der Hand. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 15.5.2013)

Link: stadtradler.at

Foto: http://www.stadtradler.at